Einleitung
Wir sind an der Spitze unserer Kometen-Hitliste angelangt, und der eine oder andere wird die hellen Schweifsterne des 20. Jh. vermisst haben. Tatsächlich hat es keiner von ihnen in die Top 10 geschafft, doch in einer Top 20-Liste fänden C/1910 A1 (Großer Januarkomet), 1P/Halley (1910), C/1965 S1 (Ikeya-Seki), C/1996 B2 (Hyakutake) und C/1995 O1 (Hale-Bopp) auf jeden Fall ihren Platz, ebenso wie der vielleicht schönste Komet der Geschichte, C/1858 L1 (Donati). Eine solche Liste wäre also noch "kopflastiger" als unsere Top 10. Ist es wirklich so, dass in den letzten 200 Jahren besonders viele besonders eindrucksvolle Kometen aufgetreten sind? Die Antwort ist ein klares "Ja" ... aber dennoch ist das Bild verzerrt, denn bis zum 16. h. entgingen helle Schweifsterne, die ausschließlich auf der Südhalbkugel sichtbar waren, den Chronisten. Erst ab Ende des 18. Jh. können wir ganz sicher von einer vollständigen Erfassung ausgehen. Doch selbst wenn wir eine Dunkelziffer an "Südkometen" berücksichtigen - es besteht kein Zweifel, dass die letzten 200 Jahre besonders reich an eindrucksvollen Schweifsternen waren. Eine solche Häufung ist zufällig und liegt im Bereich statistischer Schankungen, wenn man wirklich lange, "astronomische" Zeiträume betrachtet.
C/1861 J1 (Tebbutt)
C/1861 J1 (Tebbutt)
John Tebbutt (1834 - 1916) war der wohl bedeutendste australische Astronom des 19. Jahrhunderts. Er verbrachte sein gesamtes Leben in Windsor (New South Wales), wo er sich im Jahr 1863 ein kleines Observatorium einrichtete. Im Jahr zuvor hatte er die Stelle als Government Astronomer in Sydney abgelehnt. Tebbutt, der fast 400 Fachartikel schrieb, blieb zeitlebens Amateurastronom. Die wohl bedeutendste Beobachtung seiner Laufbahn machte er am 13.05.1861, als er in der Abenddämmerung ein schwaches diffuses Objekt im Sternbild Eridanus entdeckte. Tebbutt ahnte wohl kaum, dass er gerade einen Jahrtausend-Kometen gefunden hatte. Im Gegenteil, es schien falscher Alarm zu sein, denn das Objekt änderte seine Position in den folgenden Tagen nicht. Erst am 21.05.1861 war eine Bewegung erkennbar. Tebbutt wurde bald klar, dass sein Komet fast genau auf die Erde zusteuerte. Er beobachtete ihn in den kommenden Wochen weiter und sagte am 15.06.1861 in einem Artikel für die Tageszeitung (!) Sydney Morning Herald voraus, dass die Erde etwa am 29.06.1861 durch den Schweif gehen würde und dass der Komet dann am Taghimmel sichtbar sei würde. C/1861 J1 (Tebbutt) hatte mittlerweile (am 12.06.1861) sein Perihel in einer Sonnenentfernung von 0.82 AE passiert. Um den 20. Juni präsentierte er sich den Beobachtern auf der Südhalbkugel bereits mit einem 40 Grad langen Schweif. Die Bahn von C/1861 J1 stand fast senkrecht zur Ekliptik und zudem zog der Komet fast genau zwischen Sonne und Erde hindurch. Es war daher unmöglich, ihn vor der Erdnähe von der Nordhalbkugel aus zu sehen. Hier ahnte niemand etwas von dem Schweifstern, denn die Nachrichten verbreiteten sich damals mangels Telegrafenverbindung noch im Tempo der Schiffe.
Das schlagartige Auftauchen von Komet Tebbutt am Nordhimmel am Abend des 30.06.1861* könnte dem Plot zu einem Endzeitfilm entstammen. Als es spät an diesem Sommerabend eindunkelte, stand wie aus dem Nichts ein Schweifstern von geradezu unglaublichen Dimensionen am Himmel. Der breit aufgefächerte Schweif nahm den gesamten Sektor zwischen den Sternbildern Kassiopeia und Großer Wagen ein (s. Abbildungen) und erstreckte sich über etwa 120 Grad. Seine Helligkeit war so groß, dass er Schatten warf. Vernünftige Helligkeitsschätzungen waren angesichts der Ausmaße des Kometen kaum möglich, der mondgroße Kopf soll etwa -3 mag erreicht haben; er blieb nach Sonnenaufgang am 01.07.1861 am Taghimmel sichtbar. C1861 J1 war ohne jeden Zweifel das größte Objekt, dass man jemals am Himmel gesehen hat.
* In England wurde der Komet bereits am Morgen des 30.11.1861 bei Bristol beobachtet. Ein Bewohner von Hawkhurst/Kent will ihn schon am Abend des 29. Juni gesehen und für den aufgehenden Mond gehalten haben (http://www.phenomena.org.uk/comets/comets/comet1861.html).
Das schlagartige Auftauchen von Komet Tebbutt am Nordhimmel am Abend des 30.06.1861* könnte dem Plot zu einem Endzeitfilm entstammen. Als es spät an diesem Sommerabend eindunkelte, stand wie aus dem Nichts ein Schweifstern von geradezu unglaublichen Dimensionen am Himmel. Der breit aufgefächerte Schweif nahm den gesamten Sektor zwischen den Sternbildern Kassiopeia und Großer Wagen ein (s. Abbildungen) und erstreckte sich über etwa 120 Grad. Seine Helligkeit war so groß, dass er Schatten warf. Vernünftige Helligkeitsschätzungen waren angesichts der Ausmaße des Kometen kaum möglich, der mondgroße Kopf soll etwa -3 mag erreicht haben; er blieb nach Sonnenaufgang am 01.07.1861 am Taghimmel sichtbar. C1861 J1 war ohne jeden Zweifel das größte Objekt, dass man jemals am Himmel gesehen hat.
* In England wurde der Komet bereits am Morgen des 30.11.1861 bei Bristol beobachtet. Ein Bewohner von Hawkhurst/Kent will ihn schon am Abend des 29. Juni gesehen und für den aufgehenden Mond gehalten haben (http://www.phenomena.org.uk/comets/comets/comet1861.html).
Abb. 1: Durch die günstige Bahnlage sowie die geringe Distanz zur Erde präsentierte sich Komet Tebutt (C/1861 J1) für wenige Tage mit einem extrem hellen und ausgedehnten Schweif. Bildnachweis: CHAMBERS (1909, Plate XVIII).
Die unwirklichen Dimensionen und die enorme Helligkeit waren sowohl der geringen Entfernung (etwa 20 Millionen Kilometer) als auch einer starken Vorwärtsstreuung des Sonnenlichts am Kometenstaub geschuldet. Vermutlich bedeckte der Schweif in jener Nacht sogar den kompletten Himmel. Weltweit wurden seltsame diffuse Lichterscheinungen gemeldet, John Tebbutt berichtet von einem weißlichen Licht, welches vom gesamten Firmament kam, insbesondere aber vom Osthorizont. Beobachter auf der Nordhalbkugel blickten entlang der Synchronen des Schweifs sozusagen von hinten auf die Koma, welche sich im Teleskop reich strukturiert mit Jets und "Envelopes" präsentierte. Nachdem die Erde den Schweif nach etwa 2 Tagen verlassen hatte, nahmen Helligkeit und Schweiflänge rasch ab. Am 08.07.1861 betrug die Länge noch knapp 60 Grad, am 12.07.1861 etwa 30 Grad. Die letzte Beobachtung mit bloßem Auge datiert vom 15.08.1861, teleskopisch konnte Tebbutt noch bis Ende April 1862 verfolgt werden. Bahnberechnungen ergaben eine Umlaufzeit von 409 Jahren - C/1861 J1 ist ein periodischer Komet, der vielleicht identisch mit einem allerdings schlecht dokumentierten Schweifstern aus dem Jahr 1500 ist.
Das plötzliche Auftreten von C/1861 J1 hatte den Nebeneffekt, dass anders als bei 1P/Halley im Jahr 1910 keine Zeit blieb, um irgendwelche Weltuntergangs-Phantasien zu entwickeln. Dennoch deuteten abergläubische Naturen Komet Tebbutt später als Vorzeichen des amerikanischen Bürgerkrieges.
Abb. 2: Die in Abb. 1 gezeigte wissenschaftliche Zeichnung von C/1861 J1 wurde als Grundlage für mehrere künstlerische Darstellungen genutzt, von denen dies hier die weitaus bekannteste ist (aus Weiß 1888).
Literatur:
CHAMBERS, GEORGE F. (1909): The Story of the Comets. 256 S., Clarendon Press, Oxford.
The Gallery of Natural Phenomena: The comet of 1861
Die unwirklichen Dimensionen und die enorme Helligkeit waren sowohl der geringen Entfernung (etwa 20 Millionen Kilometer) als auch einer starken Vorwärtsstreuung des Sonnenlichts am Kometenstaub geschuldet. Vermutlich bedeckte der Schweif in jener Nacht sogar den kompletten Himmel. Weltweit wurden seltsame diffuse Lichterscheinungen gemeldet, John Tebbutt berichtet von einem weißlichen Licht, welches vom gesamten Firmament kam, insbesondere aber vom Osthorizont. Beobachter auf der Nordhalbkugel blickten entlang der Synchronen des Schweifs sozusagen von hinten auf die Koma, welche sich im Teleskop reich strukturiert mit Jets und "Envelopes" präsentierte. Nachdem die Erde den Schweif nach etwa 2 Tagen verlassen hatte, nahmen Helligkeit und Schweiflänge rasch ab. Am 08.07.1861 betrug die Länge noch knapp 60 Grad, am 12.07.1861 etwa 30 Grad. Die letzte Beobachtung mit bloßem Auge datiert vom 15.08.1861, teleskopisch konnte Tebbutt noch bis Ende April 1862 verfolgt werden. Bahnberechnungen ergaben eine Umlaufzeit von 409 Jahren - C/1861 J1 ist ein periodischer Komet, der vielleicht identisch mit einem allerdings schlecht dokumentierten Schweifstern aus dem Jahr 1500 ist.
Das plötzliche Auftreten von C/1861 J1 hatte den Nebeneffekt, dass anders als bei 1P/Halley im Jahr 1910 keine Zeit blieb, um irgendwelche Weltuntergangs-Phantasien zu entwickeln. Dennoch deuteten abergläubische Naturen Komet Tebbutt später als Vorzeichen des amerikanischen Bürgerkrieges.
Abb. 2: Die in Abb. 1 gezeigte wissenschaftliche Zeichnung von C/1861 J1 wurde als Grundlage für mehrere künstlerische Darstellungen genutzt, von denen dies hier die weitaus bekannteste ist (aus Weiß 1888).
Literatur:
CHAMBERS, GEORGE F. (1909): The Story of the Comets. 256 S., Clarendon Press, Oxford.
The Gallery of Natural Phenomena: The comet of 1861
KRONK, GARY: C/1861 J1 (Great Comet of 1861)
ORCHISTON, WAYNE (1998): Illuminating incidents in antipodean astronomy - John Tebbutt and the Great Comet of 1861. Irish Astronomical Journal 25 (2), 167-178.
SCHMIDT, JULIUS (1861): Beobachtung des großen Cometen auf der Sternwarte zu Athen. Astronomische Nachrichten 1320, 369-372.
SEARGENT, DAVID (2009): The Greatest Comets in History. 260 S., Springer Science & Business Media, New York.
WEIß, E. (1888): Bilderatlas der Sternenwelt. 52 S., Verlag J.F. Schreiber, Esslingen
WURM, KARL (1955): Die Kometen. 160 S., Springer-Verlag, Berlin, Göttingen, Heidelberg.
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SEARGENT, DAVID (2009): The Greatest Comets in History. 260 S., Springer Science & Business Media, New York.
WEIß, E. (1888): Bilderatlas der Sternenwelt. 52 S., Verlag J.F. Schreiber, Esslingen
WURM, KARL (1955): Die Kometen. 160 S., Springer-Verlag, Berlin, Göttingen, Heidelberg.