Sonntag, 29. September 2013

Warten auf ISON

Die letzten Monate standen größtenteils unter dem Motto "Warten auf Ison". Wie die letzten Tage gezeigt haben, hat das Warten aber nun ein Ende. War der Schweifstern im August und in der ersten Septemberhälfte eher ein Objekt für halbprofessionelle Kometen-Spezialisten, ist er nun in Reichweite vieler Amateurastronomen gelangt. Daher ist jetzt ein geeigneter Zeitpunkt für einen Rückblick auf die letzten Monate (Juni bis September 2013).


Der Juni und die erste Hälfte des Juli 2013 brachten außer den Beobachtungen des Spitzer-Weltraumteleskops vom 13.06.2013 keine nennenswerten Neuigkeiten zu Komet Ison, da dieser auf Grund seiner (scheinbaren) Nähe zur Sonne von der Erde aus kaum zu beobachten war. Allerdings konnten der italienische Kometenspezialist Toni Scarmato ihn fotografisch bis zum 14.06.2013 verfolgen. Die Forschergemeinde richtete den Blick derweil bereits auf eine Vorbereitungstagung zur CIOC*, welche Anfang August 2013 an der John Hopkins University in Laurel/Maryland stattfinden sollte. Derweil bemühten sich einige Teleskophändler mit mehr oder weniger interessanten Beiträgen die Nutzer ihrer Webauftritte bei der Stange zu halten. Doch das Interesse an Ison machte sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der amateurastronomischen Szene vorerst eine Sommerpause.
Eher zufällig sickerte Mitte Juni die Nachricht durch, dass der Oculum-Verlag nach dem im März erschienenen Grundlagen-Werk über Kometen für September ergänzend die Herausgabe einer kleinen und dank Werbefinanzierung preiswerten Broschüre speziell zu Ison plante. Bereits am 18.07.2013 erschien das von diesem Blogger geschriebene Buch „Komet Ison – ein Jahrhundert-Komet?“.
  
*CIOC = NASA Comet ISON Observing Campaign

Die inzwischen bereits 2 Monate andauernde "Silly Season" des Schweifsterns brachte nach einem (absichtlich?) missverständlich betitelten, aber inhaltlich durchaus korrekten Video eines Wetterportals („Could This Comet Destroy Earth?“) um die Monatswende Juli/August in der Kometenszene eine lebhafte Diskussion unter dem Titel "Comet ISON Bad Science" hervor. Auch die Frage der Verwandtschaft zwischen den Kometen Ison und Kirch war Ende Juli wiederum ein Thema. Weitere Blogpostings beschäftigten sich mit der Frage, wie ein Großer Komet definiert ist, sowie mit dem allgegenwärtigen Begriff "Jahrhundert-Komet". Von Daniel Fischer erschien Anfang August eine ausführliche deutschsprachige Zusammenfassung der oben erwähnten Tagung in Maryland, welche er online komplett verfolgt hatte. Die NASA publizierte derweil ein digitales Poster mit einer Timeline der wichtigsten Forschungsvorhaben.
Immer mehr wurde auch klar, dass sich ISON nach Kohoutek (1973), Halley (1986) und Hale-Bopp (1996) zum vierten kometaren Massenevent unserer Zeit entwickeln würde. Ein sicherer Indikator dafür war das Erscheinen von Produkten, die niemand wirklich brauchte - wie die von der Stadt Hamburg herausgegebenen silbernen Gedenkmedaillen

Nach einer sehr zweifelhaften und nicht bestätigten Sichtung am 07.08.2013 wurde Komet ISON am 12.08.2013 von dem Amateurastronomen Bruce Gary in Arizona erstmals nach der Konjunktion mit der Sonne definitiv wieder beobachtet und fotografiert. Gary selber gelang am 16.08.2013 die dringend erwartete Bestätigung. C/2012 S1 befand sich mit einer Helligkeit von etwa 14 mag im Bereich dessen, was für diesen Zeitpunkt zu erwarten gewesen war. Derweil waren weitere Infos zu den Beobachtungen mit dem Spitzer-Teleskop im Juni sowie ein Kalender der geplanten wissenschaftlichen Beobachtungen erschienen.
Ab Mitte August wurde Komet Ison vielfach beobachtet und fotografiert, u.a. mit dem 1.8m VATT-Teleskop in Arizona. Dadurch wurde recht deutlich, dass seine Helligkeitsentwicklung der Ephemeride des MPC weitgehend entsprach. Unverständlicherweise wurden dennoch zahlreiche Abgesänge auf den Schweifstern publiziert, u.a. von der renommierten Sky & Telescope. Möglicherweise sorgte die starke Streuung der Helligkeitsschätzungen, welche durch die bis dahin ungünstige Position des Kometen am Morgenhimmel bedingt worden sein dürfte, für Irritationen. Letztlich waren jedoch alle Spekulationen müßig, denn wenn sich Ison nicht vorzeitig komplett auflöst, wird sich erst nach der Perihelpassage Anfang Dezember herausstellen, wie er am irdischen Himmel in Erscheinung träte. Selbst seriöse Publikationen  konnten nicht mehr als ein paar Anhaltspunkte vermitteln.

Eine am 10.09.2013 erschienene wissenschaftliche Arbeit beschäftigte sich mit dem Ausgasungsverhalten von C/2012 S1 zwischen September 2012 und Juni 2013. Uwe Pilz machte sich erste Gedanken über die mögliche Schweifentwicklung von C/2012 S1 (pdf zum Download, 181 kb). Derweil  erschien im Oculum-Verlag die angekündigte Broschüre zu Komet Ison, welche auch kostenlos als Online-Version zur Verfügung gestellt wurde. Erwähnenswerte Online-Publikationen zu C/2012 S1 brachten Andreas Schnabel sowie der in Sachen Astronomie seit Jahren sehr engagierte Bayerische Rundfunk heraus. 
Rückschläge musste im September die CIOC hinnehmen. Zunächst scheiterten die geplanten Beobachtungen mit der Sonde Deep Impact am plötzlichen Dahinscheiden des betagten Raumfahrzeugs. Danach begann das Projekt BRRISON (Balloon Rapid Response for ISON) mit einer Enttäuschung, denn auf Grund eines technischen Fehlers konnten beim ersten Ballonstart am 29.08.2013 keine Daten gewonnen werden.



Komet Ison, aufgenommen am 28.09.2013 von Wilfried Bongartz in Swisttal bei Bonn.