Samstag, 30. März 2013

KOMETENJAHRE: 1957

Die Jahre 1947 und 1948 hatten nach langer Zeit des Wartens zwei helle Kometen gebracht, welche allerdings für die modernen Observatorien auf der Nordhalbkugel kaum zugänglich waren. Doch es kam noch schlechter: Von Ende 1948 bis Mitte 1955 war nirgendwo auf der Erde ein einiziger Komet mit bloßem Auge sichtbar. Ausgerechnet in diese ungewöhnlich langen Durststrecke der praktischen Beobachtung fiel die Geburtsstunde der modernen Kometenastronomie. In den Jahren 1949 bis 1951 erschienen grundlegende theoretische Arbeiten, welche nicht nur das Verständnis der Schweifsterne, sondern auch unser Bild vom Sonnensystem revolutionierten. Jan Hendrik Oort postulierte die später nach ihm benannte zirkumsolare Kometenwolke als Reservoire der langperiodischen Kometen, Fred Whipple stellte das Modell des Kometenkerns als "Schmutziger Scheeball" vor und Ludwig Biermann sagte die Existenz eines von der Sonne ausgehenden permanenten Stroms geladener Teilchen voraus, welcher als Sonnenwind bezeichnet wurde. Kenneth Edgeworth sah das Kometenreservoir anders als Oort in einem Gürtel von Kleinkörpern direkt außerhalb der Neptunbahn, ähnliches deutete Gerard Kuiper an. Dass der eindeutige Beweis dieser Theorien mit den damaligen Mitteln kaum möglich sein würde, war kaum zu bezweifeln. Dennoch wurde ein neuer heller Komet, der optimalerweise mit möglichst langer "Vorwarnzeit" auftauchen sollte, sehnlicher denn je erwartet, um zumindest weitere Indizien für oder gegen die neuen Ideen sammeln zu können. Nachdem 1955 mit C/1955 L1 (Mrkos) und C/1955 O1 (Honda) zumindest zwei mit bloßem Auge sichtbare Schweifsterne, wenn auch wiederum überraschend, erschienen waren, ging der Wunsch vieler Kometenforscher im Jahr 1957 endlich in Erfüllung. Binnen weniger Monate standen gleich zwei helle Vertreter am Himmel über der nördlichen Hemisphäre. In beiden Fällen handelte es such um typische "Große Kometen", die vor allem deshalb hell wurden, weil sie recht nah (0.32 bzw. 0.35 AE) an die Sonne heran kamen. Doch in ihrem Erscheinungsbild und im Verlauf ihrer Sichtbarkeit unterschieden sie sich deutlich.

Literaturangaben
- Biermann, Ludwig (1951): Kometenschweife und Korpuskularstrahlung. Zeitschrift für Astrophysik 29, 274-286.
- Edgeworth, Kenneth (1949): The origin and evolution of the Solar System. Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 109, 600-609.
- Kuiper, Gerard P. (1951): On the Origin of the Solar System. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 37 (1), 1-14.
- Oort, Jan Hendrik (1950): The structure of the cloud of comets surrounding the solar system and a hypothesis concerning its origin. Bulletin of the Astronomical Institutes of the Netherlands 11 (408), 91-110.
- Whipple, Fred (1950): A comet model. II. Physical relations for comets and meteors. Astrophysical Journal 113, 464-474.


KOMET AREND-ROLAND (1956 R1)

"Comet Arend-Roland 1956h had received much advanced publicity and was eagerly awaited by the general public as well as by scientist ..." (Brahde & Brekke 1957, 27)

Am 08.11.1956 wurden am Uccle Observatorium in Belgien Fotoplatten belichtet, auf denen bei der etwa eine Woche später erfolgten Auswertung durch Sylvain Arend und Georges Roland ein lichtschwacher Komet gefunden wurde (Abbildung in Roland 1985). Die Entdeckung wurde am 20.11.56 durch weitere Aufnahmen am gleichen Observatorium bestätigt und an die zuständige Zentralstelle der Internationalen Astronomischen Union in Kopenhagen gemeldet. Die Helligkeit des neuen Kometen betrug zu dieser Zeit etwa 12.0 mag. Bereits am 27.11.1956 konnte Max Beyer in Hamburg einen Schweif nachweisen. Die frühzeitige gute Entwicklung des Objekts sowie dessen durch Michael P. Candy berechnete Bahn ließen eine helle Kometenerscheinung im kommenden Frühjahr erwarten. Somit war ausreichend Zeit zur Planung wissenschaftlicher Beobachtungen gegeben.
Komet Arend-Roland entwickelte sich "planmäßig"; am Jahresende 1956 hatte er etwa 10 mag erreicht, 5 Wochen später 9 mag. Die Verlangsamung des Helligkeitsanstiegs lag daran, dass sich die Erde bis Anfang Februar vom Schweifstern entfernte. Ende Februar wurden 7.5 mag gemessen, bevor Arend-Roland sich der Beobachtung zunächst entzog. Am 20.03.1957 kam er zum ersten Mal in Konjunktion zur Sonne, wobei der scheinbare Abstand 14 Bogengrade betrug. Am 02.04.1957 wurde der Schweifstern mit einer Helligkeit von etwa 2 mag in Neuseeland wiedergefunden. Vermutlich war er der erste Komet, welcher in der Antarktis wissenschaftlich beobachtet wurde, denn dort hielten sich anlässlich des internationalen geophysikalischen Jahres mehrere Expeditionen auf. An verschiedenen Orten der Südhalbkugel wurde Arend-Roland vor allem im Zeitraum 08. - 14.04.57 gesehen, bevor er mit einer Helligkeit von etwa -0.5 mag erneut in den Strahlen der Sonne verschwand. Am 16.04.57 fand in nur 5 Grad Abstand die zweite Konjunktion mit unserem Zentralgestirn statt, am 20.04.57 erreichte Arend-Roland mit 0.57 AE seinen geringsten Abstand zur Erde. Am gleichen Tag wurde er in England und Schweden erstmals wieder beobachtet. Der Komet wanderte jetzt steil nach Norden. Konnte er am 21.04.57 nur in der Abend- und Morgendämmerung gesichtet werden, so war er bereits in der Nacht vom 23. auf den 24.04.57 zirkumpolar. Insbesondere in Großbritannien herschten in der letzten Aprildekade ungewöhnlich gute Wetterbedingungen, sodass Arend-Roland durchgehend beobachtet werden konnte; zudem war am 29. April Neumond. Die Helligkeit sank von 1.5 mag am 22. auf 2.7 mag am 30. April. Die größte Schweiflänge wurde mit 30 Grad am 26. verzeichnet. Doch das Ungewöhnliche an diesem Kometen war sein ausgeprägter Gegenschweif, welcher vom 22. bis 29.04.57 sichtbar war, als die Erde nahe der Bahnebene von Arend-Roland stand und sie am 25. April kreuzte. An diesem Tag erreichte der nadelspitze Gegenschweif die erstaunliche Länge von 15 Grad.


Komet Arend-Roland mit Gegenschweif. Bildnachweis: David Darling -

Im Mai entfernte sich Arend-Roland rasch sowohl von der Sonne als auch von der Erde. Die Helligkeit sank im Laufe des Monats von etwa 3 mag auf rund 7 mag, die Schweiflänge reduzierte sich von 7 auf 3 Grad. Zudem störte zur Monatsmitte hin der Mond die Beobachtung immer mehr; lediglich während der Totalen Mondfinsternis am 13.05.57 herrschten noch einmal gute Bedingungen. Der letzte Nachweis mit bloßem Auge datiert vom 24.05.1957. Teleskopisch konnte der Komet noch fast ein Jahr, bis zum 11.04.1958, verfolgt werden, als er einen Sonnenabstand von 5.36 AE erreicht hatte.

Da man endlich den seit Jahrzehnten ersehnten hellen Kometen am Nordhimmel hatte, wurde zu seiner Beobachtung jede verfügbare Technik eingesetzt. Vom belgischen Oostende startete sogar ein Flugzeug, um Beobachtungen des Schweifsterns aus 3500m Höhe durchzuführen (De Thier 1957). Mehrfach wurde versucht, Radiostrahlung von Arend-Roland zu erfassen. Diese Unterfangen schlugen fehl oder brachten keine eindeutigen Ergebnisse; erst 16 Jahre später gelang dies bei Komet Kohoutek (C/1973 E1). Spektralanalysen zeigten ein kontinuierliches Spektrum sowie ungewöhnlich kräftige Emissionslinien des Natriums, wodurch der visuelle Eindruck eines extrem staubreicher Komet belegt wurde. Dazu passt auch die Beobachtung ausgeprägter "Envelopen" in der Koma, ähnlich wie bei den Kometen Donati (1858 L1) und Coggia (1874 H1). Besonderes Interesse fand der extrem ausgeprägte Gegenschweif von Arend-Roland. Als Ursache für diese Struktur wurden sowohl Dust Trails als auch die perspektivische Verzerrung eines normalen, aber weit aufgefächerten Staubschweifs diskutiert. Prinzipiell ist beides möglich, doch scheint es sich bei C/1956 R1 eher um Dust Trails gehandelt zu haben. Wie in den 1950er-Jahren üblich wurde auch bei Arend-Roland (vergeblich) nach einer eindeutigen Korrelation zwischen Sonnenaktivität und Helligkeitsfluktuationen des Kometen gesucht.
Da C/1956 R1 solange beobachtet wurde - Positionsbestimmungen erfolgten an 520 Tagen - konnte seine Bahn außerordentlich präzise bestimmt werden. Es besteht daher kein Zweifel, dass er sich zumindest nach seiner Sonnenpassage auf einer Hyperbel bewegte. Es wurde diskutiert, ob er ein einmaliger Besucher aus dem interstellaren Raum war. Allerdings tendierte Sekanina (1968) zu der Ansicht, dass C/1956 R1 aus der Oortschen Wolke kam und durch starke nicht-gravitative Kräfte während seines Besuchs im inneren Sonnensystem von einer Ellipsenbahn auf eine Hyperbel angehoben wurde. Die enorme Staubproduktion des Kometen ist ein starker Beleg für das Wirken solcher Kräfte.

Bahn des Kometen Arend-Roland durch das innere Sonnensystem. Eingezeichnet ist seine Position am 20.04.1957, als er seine größte Erdnähe erreichte und erstmals nach seiner zweiten Konjunktion mit der Sonne auf der Nordhalbkugel beobachtet wurde. Anschließend wanderte er steil nach Norden (links oben in der Grafik) und wurde zirkumpolar.

Als 1995 die moderne Kometen-Nomenklatur eingeführt wurde, erhielten alle früheren Schweifsterne ebenfalls neue Bezeichnungen. Im Fall von Arend-Roland kam es dabei zu einem Irrtum, denn nach dem Entdeckungsdatum müsste er als C/1956 V1 geführt werden. Stattdessen erhielt er das Label C/1956 R1. Als der Irrtum - offenbar erst nach mehreren Jahren - bemerkt wurde, verzichtete man auf eine Korrektur, um weitere Verwirruung zu vermeiden, denn Arend-Roland hatte inzwischen als C/1956 R1 bereits in zahlreiche Publikationen Eingang gefunden.

Unter den zahlreichen "Großen Kometen" des 20. Jahrhunderts war Arend-Roland bei weitem nicht der hellste oder eindrucksvollste. Doch hinsichtlich seiner Popularität in der breiten Öffentlichkeit wurde er nur von Halley, Kohoutek und Hale-Bopp geschlagen. Dazu trug vor allem bei, dass er neben den 3 genannten der einzige helle Komet des 20. Jh. war, der lange vor Erreichen der Freiäugigkeit entdeckt worden war. Hinzu kam, dass er unter optimalen Bedingungen am Abendhimmel sichtbar war. Das sicherte ihm vor allem in Großbritannien - wo dann auch (s.o.) das Wetter mitspielte - große Aufmerksamkeit. Er war das Thema der ersten Ausgabe des legendären BBC-Programms "The Sky at Night", welche am 24.04.1957 ausgestrahlt wurde. In Deutschland widmete ihm u.a. DIE ZEIT einen längeren Artikel, in dem der damalige Stand der Kometenforschung sowie einige aus heutiger Sicht obsolete Hypothesen vorgestellt wurden. Besondere Aufmerksamkeit fand der Schweifstern auch im Entdeckungsland Belgien, wo nicht nur zahllose Zeitungsartikel erschienen, sondern auch eine Briefmarke mit Kometenmotiv erschien (Roland 1985). Neben der legendären Sonnenfinsternis vom 30.06.1954 und dem Start des Sputnik im Herbst 1957 war Komet Arend-Roland für die breite Bevölkerung sicherlich das bedeutendste astronomische Ereignis der 1950er-Jahre. In amateurastronomischen Kreisen ist er vor allem wegen seines ausgeprägten Gegenschweifs, dessen Fotos in zahllosen Astronomiebüchern zu finden sind, bis heute ein Begriff.

Wenig bekannt sein dürfte, dass der Schweizer Schriftsteller Max Frisch dem Kometen ein literarisches Denkmal gesetzt hat. Arend-Roland spielt eine Rolle in seinem 1957 erschienenen Roman "Homo Faber". Während der ersten Begegnung der Titelfigur Walter Faber mit Sabeth, welche Ende April 1957 auf der Überfahrt von New York nach Europa stattfindet, steht er hell am Nordhimmel. Später wird erwähnt, dass der Komet, dessen Name übrigens nicht genannt wird, am 27.05.1957 - dem Tag von Sabeths Unfalltod - nicht mehr zu sehen sei. Arend-Roland muss spät Eingang in das Werk gefunden haben, denn Frisch hatte das Manuskript bereits 1956 weitgehend abgeschlossen und im Februar 1957 beim Verlag eingereicht. Im April zog er es jedoch zurück und lieferte im Juni eine überarbeitete Version ab. In dieser späten Bearbeitungsphase stand Arend-Roland am Himmel und hinterließ offenbar auch bei Max Frisch einen starken Eindruck. Weitaus wichtiger für die Handlung ist aber die oben bereits erwähnte Mondfinsternis vom 13.05.1957, unter deren Eindruck Faber mit Sabeth, die sich als seine Tochter entpuppt, ein Verhältnis beginnt.

Steckbrief des Kometen Arend-Roland
Entdeckung: 08.11.1956
Perihel: 08.04.1957, 0.32 AE
Erdnähe: 20.04.1957, 0.57 AE
Neigung der Bahn zur Erdbahn: 120 Grad
Umlaufszeit um die Sonne: hyperbolisch
Mit bloßem Auge sichtbar: 06.04. - 24.05.1957
Max. Helligkeit: -0.5 mag
Max. Schweiflänge: 30 Grad

Literatur zu Komet Arend-Roland
- Beyer, Max (1959): Physische Beobachtungen von Kometen. XI. Astronomische Nachrichten 284, 241-262.
- Brahde, Rolf & Brekke, Kjell (1957): On the secondary tail of comet Arend-Roland 1956h. Astrophysica Norwegica 6 (3), 27-33.
- De Thier (1957): Observation de la comete Arend-Roland (1956h). Ciel et Terre 73, 228-229.
- Du Mont, Bernhard (2000): Max Frisch und der Komet Arend-Roland. Sterne und Weltraum 10/2000, 822-823.
- Hendrie, Michael J. (1996): The two bright comets of 1957. Journal of the British Astronomical Association 106 (6), 315-330.
- Larsson-Leander, Gunnar (1959): Physical observations of Comet Arend-Roland (1956 h). Arkiv för Astronomi 2 (23), 259-270.
- Nitschmann, Leo (1957): "Arend-Roland" nähert sich. DIE ZEIT 14/1957 vom 04.04.1957, 24-25.
- Öpik, Ernst (1958): The Spectrum and Luminosity of Comet Arend-Roland (1956 h). Irish Astronomical Journal 5, 77-78.
- Porter, J.G. (1957): Comet Arend-Roland, 1956h - A General Report. The Observatory 77, 128-132.
- Roland, Georges (1985): Les cinq comètes <>. Ciel et Terre 101, 123-128.
- Semanina, Z. (1968): A dynamic investigation of Comet Arend-Roland (1957 III). Bulletin of the Astronomical Institute of Czechoslovakia 19, 343-350.
- http://www.cometography.com/1956r1.html: C/1956 R1 (Arend-Roland)


KOMET MRKOS (1957 P1)

"The sudeen appearance of Comet Mrkos as a naked-eye comet near the beginning of August provided another excellent opportunity for comet observers less than four months after the excitement of Comet Arend-Roland." (Halliday 1957, 323)

Die frühe Entdeckung von Arend-Roland war ausgesprochen untypisch gewesen. Die hellen Kometen im 19. Jh. und in der ersten Hälfte des 20. jh. waren zum größten Teil erst wenige Tage oder Wochen vor oder sogar nach ihrer Perihelpassage entdeckt worden, als sie bereits helle, auffällige Objekte darstellten. Oftmals wurden sie von zahlreichen Personen - meistens Laien - gleichzeitig erstmals gesichtet. Solche Schweifsterne wurden denn auch nicht nach einzelnen Entdeckern benannt, sondern erhielten im Nachhinein einen beschreibenden Namen. Zuletzt war dies bei
C/1947 X1 ("Großer Südkomet") und C/1948 V1 ("Finsterniskomet") der Fall gewesen. Ende Juli 1957 tauchte erneut ein heller Komet völlig überraschend auf. Anders als bei den vorgenannten Beispielen sind die Namen der Entdecker allerdings bekannt. Zuerst gesichtet wurde der neue Schweifstern am 29.07.57 von S. Kuragano in Japan; der Pilot Peter Cherbak beobachtete ihn sowohl am 31.07. als auch am 01.08.57 über Colorado. Es war das zweite Mal nach C/1948 V1, dass ein Komet aus einem Flugzeug (wieder)entdeckt wurde. Als nächster fand Antonín Mrkos den Schweifstern mit einer Helligkeit von 1.0 mag am Morgen des 02.08.57. Der tschechische Astronom war zu diesem Zeitpunkt bereits ein erfahrener Kometenjäger, neben dem Japaner Minoru Honda sogar der erfolgreichste in der Mitte des 20. Jahrhunderts. Mrkos meldete seine Beobachtung sofort an die Zentralstelle in Kopenhagen - als erster. Dank dieser Professionalität wurde seine Laufbahn mit einem hellen Schweifstern, der seinen Namen trug, gekrönt.
Die Nachricht von dem interessanten Objekt verbreitete sich offenbar nur zögerlich. Noch am 03., 04. und 05.08.57 erfolgten mehrere unabhängige "Entdeckungen" in Kanada und Großbritannien, u.a. durch den erst 16jährigen Clive Hare. Bahnberechnungen zeigten, warum der Komet erst um seine Perihelpassage (01.08.57) sichtbar geworden war. Vorher hatte er von der Erde aus gesehen stets in unmittelbarer Sonnennähe gestanden. Bis in den August hinein löste er sich auch kaum aus der Morgendämmerung und wanderte nur langsam nach Norden. Obwohl er nördlich des 52. Breitengrades nach dem 10.08.57 für einige Tage zirkumpolar wurde, stand er am nachtdunklen Himmel nahe am Horizont. Zudem störte der Mond (Vollmond am 10.08.57) um diese Zeit die Beobachtung, und zu allem Überfluss herrschte zumindest in Großbritannien, teilweise wohl auch in Deutschland, bewölktes Wetter vor. Erst nach der Monatsmitte besserten sich die Bedingungen, als Mrkos in der Abenddämmerung gut mit bloßem Auge zu sehen war. Anfang September störte dann nicht nur erneut der Mond, sondern auch - sicherlich ein absolutes Kuriosum in der Kometengeschichte - in den Nächten 02./03. und 03./04.09.1957 helles Polarlicht die Beobachtung (Beyer 1959). Dass dennoch zahlreiche qualitativ wertvolle Beobachtungen gelangen, war der Tatsache geschuldet, dass die Helligkeit des Schweifsterns nur allmählich abnahm, in jeweils 10 Tagen um etwa 1 mag. Erst um den 20.09.57 unterschritt er die 6. Größenklasse.

 
Bahn des Kometen Mrkos durch das innere Sonnensystem. Eingezeichnet ist seine Position am 13.08.1957, als er seine nördlichste Position über der Erdbahnebene erreichte und am besten beobachtet werden konnte. Danach bewegte er sich wieder nach Süden (links in der Grafik) und näherte sich von der Erde aus gesehen scheinbar immer mehr der Sonne an, obwohl er sich in Wirklichkeit rasch von ihr entfernte.

Komet Mrkos präsentierte sich mit deutlich voneinander getrennten Gas- und Staubschweifen. Erreichte erstgenannter bis zu 15 Grad Länge, so wurden für den visuell viel besser wahrnehmbaren breiten und teils diffusen Staubschweif meist nur 2 bis 4 Grad angegeben. Besonders wissenschaftliches Interesse fand gerade im Hinblick auf Biermanns Sonnenwind-Theorie der reich strukturierte Gasschweif. Die Beobachtungen deuteten auf die Bündelung der Schweifstrahlen durch Magnetfelder hin, was wiederum ein Indiz für einen elektrische geladenen Teilchenstrom von der Sonne darstellte. Die hohe Staubfreisetzung des Kometen sorgte für ein extrem kräftiges kontinuierliches Spektrum. Dank neuer hochauflösender Methoden konnten dennoch Untersuchungen des Linienspektrums durchgeführt werden, wodurch der Nachweis eines etwa 10 Millionen Kilometer langen Natriumschweifs gelang. Bedeutender noch war der Nachweis atomaren Sauerstoffs an Hand der "verbotenen" roten Spektrallinien um 630 nm. Da Sauerstoff mengenäßig Kohlenstoff (in Form des Dicarbons) bei weitem überstieg, kamen als Muttermoleküle nicht Kohlenstoffoxide, sondern nur Wasser in Frage. Zum endgültigen Beweis, dass H2O unter den gefrorenen Gasen des Kometenkerns dominiert, musste der ebenfalls freigesetzte Wasserstoff gefunden werden. Das war jedoch zunächst nicht möglich, da dessen Emissionslinien im UV-Bereich liegen und somit nur außerhalb der Erdatmosphäre aus messbar sind.
Auch der Staubschweif von Komet Mrkos erregte Interesse, denn er entwickelte Striae, welche zuvor überhaupt erst dreimal, bei
C/1743 X1 (Klinkenberg), C/1858 L1 (Donati) und C/1910 A1 (Großer Januarkomet), beobachtet worden waren. Nachdem 1976 C/1975 V1 (West) einen mächtigen Staubschweif mit zahlreichen Striae ausgebildet hatte, erschienen in den 1980er-Jahren erneut mehrere Publikationen über Mrkos. Dieser war zu jener Zeit nicht nur Forschern, sondern auch interessierten Laien durchaus noch ein Begriff, wurden Fotos von ihm doch vielfach als Beispiel für deutlich getrennte Gas- und Staubschweife abgedruckt.
Dass der zwar helle, aber im visuellen Erscheinungsbild nicht allzu imposante Mrkos meist in einem Atemzug mit Arend-Roland genannt wird, liegt jedoch nicht nur daran, dass er ebenfalls zum Lehrbuchkomet wurde, sondern auch, dass er nur wenige Monate nach jenem in Erscheinung trat. In der öffentlichen Wahrnehmung des Jahres 1957 blieb Mrkos durch die ungünstigeren Beobachtungsbedingungen und sein plötzliches Auftreten hinter Arend-Roland etwas zurück. Die Forscher-Gemeinde wurde zwar auch von Mrkos überrascht, war aber dank der noch frischen Erfahrungen mit seinem Vorgänger nicht unvorbereitet.

 
Komet Mrkos mit reich strukturiertem Gasschweif (unten) und kurzem Staubschweif (oben). Bildnachweis: NASA.

Steckbrief des Kometen Mrkos
Entdeckung: 02.08.1957
Perihel: 01.08.1957, 0.35 AE
Erdnähe: 13.08.1957, 1.07 AE
Neigung der Bahn zur Erdbahn: 94 Grad
Umlaufszeit um die Sonne: unbekannt
Mit bloßem Auge sichtbar: 29.07. - 13.09.1957
Max. Helligkeit: 1.0 mag
Max. Schweiflänge: 15 Grad

Literatur zu Komet Mrkos
- Beyer, Max (1959): Physische Beobachtungen von Kometen. XI. Astronomische Nachrichten 284, 241-262.
- Biermann, Ludwig & Treffitz, Elisabeth (1964): Über die Mechanismen der Ionisation und der Anregung in Kometenatmosphären. Zeitschrift für Astrophysik 59 (1), 1-28.
- Halliday, Ian (1957): Observations of Comet Mrkos in Northern Alberta. Journal of the Royal Astronomical Society of Canada 51, 323-326.
- Hendrie, Michael J. (1996): The two bright comets of 1957. Journal of the British Astronomical Association 106 (6), 315-330.
- Lüst, Rhea (1962): Die Bewegung und Form von Strukturen im Schweif des Kometen Mrkos 1957 d. Zeitschrift für Astrophysik 54, 67-97.
- McClure, Alan & Liller, William (1958): Rayed structure in the tail of Comet Mrkos, 1957 d. Proceedings of the Astronomical Society of the Pacific 70, 404-406.
- Notni, P.  & Thänert, W. (1988): The striae in the dust tails of great comets - a comparison to various theories. Astronomische Nachrichten 309, 133-146.
- Novikov, G.G. (1974): Sodium emission in comet Mrkos 1957d. Soviet Astronomi 17 (4), 559.
- Sekanina, Z. & Farrell, J.A. (1982): Two dust populations in particle fragments in the striated tail of Comet Mrkos 1957 V. The Astronomical Journal 87 (12), 1836-1853.

Mittwoch, 20. März 2013

Ein alternatives Szenario für Komet Ison

EINLEITUNG
Wenn man nach vergangenen Kometenerscheinungen sucht, welche Komet Ison mutmaßlich ähnelten und daher Hinweise auf dessen weitere Entwicklung geben könnten, werden die Kreutz-Kometen, vor allem aber Komet Kirch (C/1680 V1) genannt. Letzterer bewegte sich auf einer Bahn, die derjenigen Isons sehr ähnelte. Bekanntlich war Kirch einer der eindrucksvollsten Kometenerscheinungen der letzten 1000 Jahre. Der "Vollmond-Mythos", welcher sich inzwischen um Ison entwickelt hat, geht vor allem auf die Vergleiche mit dem Ausnahmeobjekt C/1680 V1 zurück. Doch sonnennahe Kometen können sich auch anders entwickeln. Man muss gerade einmal ein halbes Jahrhundert zurückgehen, um einen Schweifstern zu finden, der ein alternatives Szenario für Ison bietet.

SUNGRAZER UND SUNSKIRTER
Der Begriff Sungrazer („Sonnenstreifer“) wurde ursprünglich als Umschreibung der Kometen der Kreutz-Gruppe benutzt, welche sich der Sonnenoberfläche im Perihel bis auf wenige hunderttausend Kilometer nähern und dabei tief in deren Korona eintauchen. Heute bezeichnet man alle Kometen, deren Periheldistanz höchstens 0.01 AE beträgt, als Sungrazer. Nach dieser Definition hat es in der Geschichte abgesehen von den Kreutz-Kometen mit C/1680 V1 (Kirch) lediglich einen weiteren hellen Vertreter gegeben. Für Schweifsterne, deren Periheldistanz – wie bei C/2012 S1 (Ison) - über 0.01 AE, aber – je nach Quelle – unter 0.07 bzw. 0.10 AE liegt, hat sich in den letzten Jahren mehr und mehr der Begriff Sunskirter (auf deutsch etwa "Sonnenvermeider") eingebürgert.

KOMET SEKI-LINES (C/1962 C1)
Am 04.02.1962 entdeckten Tsutomu Seki in Japan und Richard D. Lines in den USA binnen weniger Stunden unabhängig voneinander einen 9 mag hellen Kometen im Sternbild Achterschiff. Bahnberechnungen zeigten, dass er sein Perihel am 01.04.1962 in nur 0,03 AE Sonnenentfernung passieren würde. Zur damaligen Zeit waren außer den Kreutz-Kometen nur zwei Schweifsterne (C/1680 V1 und C/1865 B1) bekannt, welche der Sonne noch näher gekommen waren. Entsprechend groß war das Interesse an C/1962 C1 in astronomischen Kreisen. Mitte März war Seki-Lines mit bloßem Auge sichtbar, am 27.03.62 hatte er etwa 0 mag erreicht, am 30.03.62 wurde er auf mindestens -1.5 mag geschätzt. Den Berechnungen zu Folge sollte er während der Perihelpassage am 01.04.1962 etwa -7 mag erreichen. Doch niemandem gelang es, ihn neben der Sonne am Taghimmel zu beobachten. Später wurde dies damit erklärt, dass die Staubproduktion während der Perihelpassage für einige Stunden zum Erliegen gekommen war. Eine Erklärung dafür war, dass Staubpartikel in Sonnennähe sofort nach der Freisetzung verdampfen. Blieb nur die Frage, warum dies z.B. bei dem Sungrazer Ikeya-Seki (C/1965 S1) nicht passierte. Spektralanalysen zeigten jedenfalls, dass C/1962 C1 nach dem Perihel nahezu staubfrei war. Als Seki-Lines am 03.04.1962 in der Abenddämmerung wiedergefunden wurde, war er -2.5 mag hell. In den folgenden Tagen entwickelte er einen leuchtstarken, leicht gekrümmten und bis zu 15 Grad langen Staubschweif, welcher gespalten erschien. Wahrscheinlich handelte es sich um zwei Schweife, wobei der erste sich vor und der zweite nach der oben erwähnten Unterbrechung der Staubproduktion gebildet hatte. Dem widerspricht eine allerdings unsichere Beobachtung vom 27.03.1962 (Venter 1963), welche auf eine Schweifspaltung bereits vor dem Peihel hindeutet.
Beginnend mit dem 04.04.62 wurde an verschiedenen Tagen ein Gegenschweif beobachtet und auch fotografiert. Die Helligkeit von Seki-Lines nahm nach der ersten Aprilwoche rasch ab, von 1 mag am 07.04.1962 über 3 mag am 13. auf 4 mag am 21. April. Eine Woche später endete seine Sichtbarkeit für das bloße Auge. Teleskopisch wurde er noch bis Ende Januar 1963 beobachtet.


Bahn des Kometen Seki-Lines durch das innere Sonnensystem. Eingezeichnet ist seine Position am 27.02.1962, als er seine größte Erdnähe erreichte. Zu dieser Zeit und in folgenden Wochen bis zur Perihelpassage konnte er nur auf der Südhalbkugel und in niedrigen nördlichen Breiten beobachtet werden.

Steckbrief des Kometen Seki-Lines
Entdeckung: 04.02.1962
Perihel: 02.04.1962, 0.03 AE
Erdnähe: 27.02.1962, 0.62 AE
Neigung der Bahn zur Erdbahn: 65 Grad
Umlaufszeit um die Sonne: unbekannt
Mit bloßem Auge sichtbar: 13.03. - 30.04.1962
Max. Helligkeit: -2.5 mag
Max. Schweiflänge: 15 Grad

VERGLEICH MIT KOMET ISON
Die Periheldistanz von C/1962 C1 war größer als diejenige Isons. Im Unterschied zu anderen Sunskirtern wie C/1847 C1 (Hind), C/1865 B1 (Abbott) und C/1961 O1 (Wilson-Hubbard) wurde er vor und nach der Sonnenpassage beobachtet. Wie Komet Ison besaß er offenbar einen nicht allzu kleinen Kern und war ein Erstbesucher aus der Oortschen Wolke. Obwohl die Entwicklung von C/1962 C1 wie jetzt bei C/2012 S1 auf eine enorme Helligkeit während der Perihelpassage hindeutete, gelang es selbst mit Teleskopen nicht, ihn neben der Sonne am Taghimmel aufzuspüren (Venter 1963). Dass zudem die Schweiflänge nach dem Perihel überraschend gering blieb, deutet auf einen drastischen Einbruch der Staubproduktion in Sonnennähe hin. Wenn C/2012 S1 sich wie Seki-Lines verhält, würde er ganz sicher kein „Jahrhundert-Komet“, aber zumindest für einige Zeit Anfang Dezember 2013 eindrucksvoll am Morgenhimmel in Erscheinung treten. Bleibt die Frage, wie wahrscheinlich ein solches Szenario ist. Neben Seki-Lines sind die Kreutz-Kometen C/1843 D1 (Tageslichtkomet), C/1882 R1 (Großer Septemberkomet), C/1965 S1 (Ikeya-Seki) und C/2011 W3 (Lovejoy) sowie Komet Kirch (C/1680 V1) die einzigen Sungrazer bzw. Sunskirter, welche sowohl vor als auch nach dem Perihel beobachtet werden konnten. Sie alle erfuhren gerade bei der Perihelpassage eine gewaltige Steigerung der Staubproduktion, wobei zumindest bei C/1882 R1 und C/1965 S1 Kernteilungen eine Rolle spielten.
Als weiteres Vergleichsobjekt sein noch C/1882 F1 (Wells) genannt, welcher sein Perihel in 0.06 AE Sonnendistanz durchlief. John Bortle schreibt zu diesem Schweifstern: "Crossed Perseus in the first week of June, brightening from third to zeroth magnitude, tail more than 5 degrees long. Entered morning twilight about June 7. On June 10, visible telescopically in the daytime as a brilliant, star-like object immediately adjacent to the sun and perhaps as bright as magnitude -6. Temporarily became a southern-hemisphere object following perihelion. On June 17, a long tail was reported extending out of the evening twilight, its tip being 40-45 degrees from the position of the comet's head."
Es sieht also so aus, als wäre Seki-Lines hinsichtlich seines Verhaltens in Sonnennähe ein Unikat gewesen. Daher mag man es für unwahrscheinlich halten, dass auch bei Ison eine Drosselung der Staubproduktion eintritt. Allerdings hat es in der Kometengeschichte schon manche scheinbar einmaligen Phänomene gegeben, die sich dann doch wiederholten. Erinnert sei nur an den unglaublichen Schweif des Kometen Klinkenberg (/1743 X1). Nie hatte man vergleichbares gesehen - bis 2007 Komet McNaught (C/2006 P1) kam. Denjenigen, die auf einen "Jahrhundert-Kometen" zum Jahresende 2013 hoffen, sei aber zur Beruhigung gesagt: auch Komet Kirch gilt bislang als ein Unikat ...

LINKS UND WEBSEITEN
- Beyer, Max (1963): Physische Beobachtungen von Kometen. XIII. Astronomische Nachrichten 287, 153-167.
- Jambor, Bruno J. (1973): The split tail of Comet Seki-Lines. The Astrophysical Journal 185, 727-734.
- Meyer, Maik (2012): Große Kometen der letzten 50 Jahre. VdS Journal für Astronomie 42, 6-15.
- Roberts, Gregory (1962): Observations of Comet Seki-Lines 1962c. Monthly Notes of the Astron. Soc. Southern Africa 21, 54-55.
- Venter, S.C. (1962): Observations of Comet Seki-Lines 1962c. Monthly Notes of the Astron. Soc. Southern Africa 21, 89-92.
- Warner, Brian (1963): High Resolution Spectra of Comet Seki-Lines (1962c). The Observatory 83, 223-225.
- The Bright-Comet chronicles
- The Discovery story of Comet Seki-Lines

Sonntag, 10. März 2013

KOMETENJAHRE: 1947/48

2013 wird inzwischen überall als das Jahr der Kometen bezeichnet. Dass 2 oder gar 3 helle Schweifsterne binnen 12 Monaten auftreten ist zwar recht selten, kommt aber durchaus hin und wieder vor. Ein bekanntes Beispiel ist z.B. das Jahr 1618, in dem zwischen August und Dezember mit C/1618 Q1, C/1618 V1 und C/1618 W1 gleich drei helle Kometen beobachtet wurden. Im gleichen Jahr begann der 3ojährige Krieg - die Schweifsterne boten sich im Nachhinein natürlich als Sündenböcke an. Auch 1830/31, 1853/54, 1860/61, 1882, 1910 und 1911 traten jeweils binnen 12 Monaten 2 helle Kometen in Erscheinung. Mitte Oktober 1911 waren mit C/1911 O1 (Brooks) und C/1911 S3 (Beljwaski) sogar zwei Schweifsterne gleichzeitig mit bloßem Auge sichtbar. Nach den kometenreichen Jahren 1910 und 1911 begann jedoch eine lange Durststrecke, welche lediglich von dem zwar extrem hellen, aber schwierig zu beobachtenden Kometen Skjellerup-Maristany (C/1927 X1) unterbrochen wurde. C/1941 B2 (DeKock-Paraskevopoulos) erreichte immerhin 2. Größe, war aber nur auf der Südhalbkugel gut zu sehen. Um die Mitte des 20. Jahrhunderts wurde ein neuer heller Schweifstern geradezu sehnsüchtig erwartet, an dem die in den vergangenen Jahrzehnten neu entwickelten Beobachtungsmethoden anwenden konnte. 1947/48 ging dieser Wunsch dann gleich doppelt in Erfüllung. Binnen 11 Monaten erschienen zwei helle Kometen in einer verblüffenden Duplizität der Ereignisse.


C/1947 X1 (GROSSER SÜDKOMET)
Am Abend des 08.12.1947 beobachteten zahlreiche Menschen auf der Südhalbkugel ein grandioses Schauspiel. Wie aus dem Nichts stand plötzlich ein extrem heller Komet mit orange farbener Koma und einem 20 - 30 Grad langen, nach Süden gekrümmten Schweif in der Abenddämmerung. Angesichts der Flut von gleichzeitigen Entdeckungen erhielt der Komet keinen Namen, sondern ging als "Großer Südkomet" in die Annalen ein. Offenbar war er bereits am Abend des 7. Dezember von zwei Schiffen aus gesichtet worden. So eindrucksvoll das erste Auftreten dieses Schweifsterns war, so schnell war das Spektakel auch wieder vorbei; bereits am 13.12.47 war die Helligkeit von anfänglich wohl -2 mag auf 3 mag abgesunken, nach dem 25.12.47 war C/1947 X1 mit bloßem Auge nicht mehr sichtbar. Bis zum 20.01.1948 konnte er noch teleskopisch verfolgt werden, bevor sein Winkelabstand zur Sonne erneut zu gering wurde.
Die Nachricht von der eindrucksvollen Himmelserscheinung erreichte die Observatorien auf der Nordhalbkugel zwar bereits am 09.12.1947, jedoch waren die Meldungen, welche Tageszeitungen und Radioreporten entstammten, in den ersten Tagen so widersprüchlich, dass man sich über die weitere scheinbare Bahn des Kometen nicht im Klaren war. Für die Planung etwaiger Beobachtungen an den großen Sternwarten der Nordhemisphäre benötigte man aber zumindest eine halbwegs genaue Ephemeride. Wie sich dann herausstellte, wanderte der Komet tatsächlich nach Norden; ab dem 14.12.1947 wurde er im Süden der USA (McDonald Observatory, Texas) beobachtet, bei bereits stark gesunkener Helligkeit. Der so lange erhoffte helle Komet war gekommen und bereitete den Astronomen in Folge seines plötzlichen Auftauchens und seiner zunächst südlichen Position doch nicht viel Freude. Immerhin gelang es erstmals, das Infrarot-Spektrum eines Schweifsterns aufzunehmen. Zudem wurde, beginnend mit dem 10.12.1947, eine Zweiteilung des Kerns beobachtet. Die dabei freigesetzten Staubmengen waren sehr wahrscheinlich auch für die anfänglich große Helligkeit des Objekts verantwortlich.

Die Bahnberechnungen zeigten, dass C/1947 X1 sein Perihel bereits am 02.12.1947 in einem Sonnenabstand von 0.11 AE passiert hatte. Vermutlich war er zu dieser Zeit -4 mag hell gewesen, hatte sich aber wie auch in den Wochen davor durch einen geringen Winkelabstand zur Sonne der Beobachtung entzogen. Anfang Oktober 1947 hatte er noch 90° Abstand von der Sonne gehabt und hätte - bei einer vermuteten Helligkeit von etwa 10 mag - von der Nordhalbkugel aus entdeckt
werden können. Dass er dennoch nicht gefunden wurde, liegt mit ziemlicher Sicherheit an der damals im Vergleich zu heute lückenhaften Himmelsüberwachung.


Bahn des Großen Südkometen durch das innere Sonnensystem. Eingezeichnet ist seine Position am 08.12.1947, als er von zahlreichen Beobachtern nahezu gleichzeitig entdeckt wurde. Aufgrund seiner Bahnlage konnte er von der Erde erst einige Tage nach seinem Perihel gesehen werden, als er weit genug östlich (links) von der Sonne stand und in der Abenddämmerung erschien.

Die Helligkeit von C/1947 X1 am Tag seiner Entdeckung ist schwer einzuschätzen; in der Literatur wird sie mit -2 mag angegeben. Seargent (2009, S. 237) berichtet jedoch von einer Beobachtung am 08.12.1947 aus Victoria. Der Komet wurde noch vor Sonnenuntergang am Taghimmel entdeckt und von dem ehemaligen Astronomielehrer Harold S. Pallot als deutlich heller eingeschätzt als die Venus. Dies spricht für eine Helligkeit von mindestens -5mag und wäre vergleichbar mit Komet McNaught am 13.01.2007.

Steckbrief des Großen Südkometen
Entdeckung: 07.12.1947
Perihel: 02.12.1947, 0.11 AE
Erdnähe: 07.12.1947, 0.85 AE
Neigung der Bahn zur Erdbahn: 138°
Umlaufszeit um die Sonne: unbekannt
Mit bloßem Auge sichtbar: 07.12. - 25.12.1947
Max. Helligkeit: - 5 mag?
Max. Schweiflänge: 25 Grad

Literatur und Webseiten zum Großen Südkometen
- Cunningham, Leland E. (1948): The bright Southern Comet, 1947n. Proceedings of the Astronomical Society of the Pacific 60, 27-36.
- Merton, G. (1948): Comets. Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 108, 124-130.
- Seargent, David (2009): The Greatest Comets in History. 260 S., Springer Science & Business Media, New York.
- Van Biesbroeck, G. (1948): Comet Notes. Popular Astronomy 56, 164-165. (Enthält Fotos des Kometen)
- The Great Comet of 1947


C/1948 V1 (FINSTERNISKOMET)
Am 01.11.1948 fand eine Totale Sonnenfinsternis statt, deren Zentralzone sich über Kenia erstreckte. Dieses Land war daher Ziel wissenschaftlicher Expeditionen. Während heutige Touristen zu solchen Himmelsereignissen reisen, um ein grandioses Naturschauspiel zu genießen, hatten die Wissenschaftler der 1940er Jahre vor allem ihre Instrumente im Blick. Doch denjenigen, die an jenem 1. November zumindest für einige Sekunden Zeit fanden, die "Schwarze Sonne" zu betrachten, bot sich ein Anblick wie aus einem Fantasy-Film. Unmittelbar neben der verfinsterten Sonne stand ein sehr heller Komet mit einem langen Schweif. Niemand hatte von seiner Existenz gewusst und bereits wenige Sekunden nach Ende der Totalität enzog sich die unwirkliche Erscheinung am wieder taghellen Himmel den Blicken. Das denkwürdige Ereignis wurde durch Fotos, welche aus einem Flugzeug der Royal Airforce aufgenommen waren, dokumentiert. Die Helligkeit des Kometen wurde auf -2.5 mag geschätzt. Da sich ein einzelner Entdecker unter den zahlreichen Expeditionsteilnehmern schwerlich ermitteln ließ, erhielt der Schweifstern die Bezeichnung "Finsterniskomet". Es war übrigens der letzte Komet, welcher nicht nach einem oder mehreren Personen bzw. automatischen Programmen benannt wurde.

Am 07.11.1948 hatten viele Menschen auf der Südhalbkugel ein Deja Vu-Erlebnis. Genau 11 Monate nach dem Großen Südkometen erschien erneut wie aus dem Nichts ein heller Komet mit Orange gefärbter Koma und einem 20 Grad langen Schweif in der Dämmerung, diesmal allerdings am Morgenhimmel. Da sich die Nachricht von den Beobachtungen in Kenia noch nicht verbreitet hatte, war das Auftauchen des neuen Schweifsterns völlig überraschend. Dennoch bestand schon bald kein Zweifel mehr, dass es sich um das gleiche Objekt handelte, welches eine Woche zuvor während der Sonnenfinsternis gesehen worden war. Wie bei C/1947 X1 ließ auch bei C/1948 V1 die Helligkeit rasch nach, von etwa 1 mag am 07.11.48 auf 3.5 mag am 17.11.48. Mitte November wurde mit 30 Grad die maximale Schweiflänge festgestellt. Danach verlangsamte sich die Helligkeitsabnahme, sodass der Schweifstern bis zum 20.12.1948 mit bloßem Auge beobachtet werden konnte. Bis Anfang April 1949 wurde er noch teleskopisch verfolgt.
Die Nachricht von den zahlreichen Sichtungen eines neuen Kometen erreichte die Nordhalbkugel - diesmal inklusive präziser Positionsdaten - bereits am 08.11.1948. Etwa zur gleichen Zeit trafen aber auch erst die Berichte von den Beobachtungen während der Sonnenfinsternis ein. Der Finsterniskomet konnte Mitte November 1948 relativ weit im Norden beobachtet werden. F. Lancaster Hiett sah ihn am 11. und 15.11.48 in West Virginia. Am 14.11.1948 konnte am bereits oben erwähnten McDonald Observatory in Texas ein Spektrum des Kometen gewonnen werden, diesmal allerdings im Bereich des sichtbaren Lichts. Danach wanderte C/1948 V1 zunächst weiter nach Süden, bevor er sich nach Norden wendete. Erst zum Jahreswechsel kam er daher in Reichweite mitteleuropäischer Beobachter. Da auch dieser Komet überraschend erschienen war und erst in die Reichweite der großen modernen Observatorien auf der Nordhalbkugel gelangte, als er bereits recht lichtschwach war, blieb die wissenschaftliche Ausbeute erneut recht bescheiden.

Die Bahnberechnungen zeigten, dass C/1948 V1 sein Perihel bereits am 27.10.1948 in 0.14 AE von der Sonne passiert hatte. Vermutlich war er zu dieser Zeit noch heller als während der Sonnenfinsternis gewesen, hatte sich aber wie auch in den Wochen davor durch einen geringen Winkelabstand zur Sonne der Beobachtung entzogen. Die Parallelen zu C/1947 X1 sind erneut verblüffend. Die Bahnlage von C/1948 V1 war aber noch ungünstiger, sodass auch in den Monaten davor keine Möglichkeit bestanden hatte, ihn zu entdecken. Abgesehen vom glücklichen Zufall der Totalen Sonnenfinsternis bot der 07.11.1948 wohl die erste Chance ihn zu sichten. Jedoch stellte sich heraus, dass ihn der Pilot Frank McGann bereits am 04.11.48 in etwa 5000m Höhe über der Karibik beobachtet hatte, wobei er zweifelsohne von der viel besseren atmosphärischen Transparenz in Flughöhe profitiert hatte.


Bahn des Finsterniskometen durch das innere Sonnensystem. Eingezeichnet ist seine Position am 07.11.1948, als er von zahlreichen Beobachtern nahezu gleichzeitig "entdeckt" wurde. Aufgrund seiner Bahnlage konnte er - abgesehen von der Totalen Sonnenfinsternis - von der Erde erst über eine Woche nach seinem Perihel gesehen werden, als er weit genug westlich (rechts) der Sonne stand und in der Abenddämmerung erschien.

Möglicherweise waren jedoch nicht einmal die Sonnenfinsternis-Beobachter in Kenia die wirklichen Entdecker von C/1948 V1. Wiederum ist es Seargent (2009, S. 237), welcher - in diesem Fall allerdings aus zweiter Hand - von einer Taghimmel-Beobachtung des Kometen in Australien Ende Oktober 1948 (vermutlich am 31.10.1948) berichtet. Details dazu lassen sich laut Seargent nicht mehr ermitteln. Sofern die Beobachtung jedoch authentisch ist, müsste der Finsterniskomet genau wie der Große Südkomet eine Helligkeit von mindestens -5 mag erreicht haben.

Steckbrief des Finsterniskometen
Entdeckung: 01.11.1948 (?)
Perihel: 27.10.1948, 0.14 AE
Erdnähe: 25.11.1948, 0.56 AE
Neigung der Bahn zur Erdbahn: 23 Grad
Umlaufszeit um die Sonne: unbekannt
Mit bloßem Auge sichtbar: 01.11. (?) - 20.12.1948
Max. Helligkeit: -5 mag (?)
Max. Schweiflänge: 30 Grad

Literatur und Webseiten zum Finsterniskometen
- Beyer, Max (1950): Physische Beobachtungen von Kometen. VII. Astronomische Nachrichten 278, 217-249.
- Hiett, Lancaster F.; Saladyga, Michael & Williams, Thomas, R. (2008): Unpublished Observations of the Eclipse Comet, C/1948 V1. International Comet Quaterly 30, 140-141.
- Hirst, W.P. (1948): The Orbit of comet 1948 L. Monthly Notes of the Astronomical Society of South Africa 7, 98-100.
- Seargent, David (2009): The Greatest Comets in History. 260 S., Springer Science & Business Media, New York.
- Solc, M. (1999): A note on eclipse comets. Contrib. Astron. Obs. Skalnaté Pleso 28. 296-299.
- Sketching at the telescope: Charles F. Capen’s Eclipse Comet
- The Gallery of Natural Phenomena
- Cometa y eclipse


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Samstag, 9. März 2013

Kometenwoche in Bonn

In den kommenden Tagen wird Komet Panstarrs endlich in Mitteleuropa sichtbar sein. Seine Helligkeit hat sich entgegen zwischenzeitlichen Unkenrufen so entwicklet, wie es Ende letzten Jahres erwartet worden war. Doch um ihn tatsächlich zu sehen, bedarf es auch eines insbesondere in Horizontnähe klaren Himmels. Und hier liegt auch das problem bei den zahlreichen anlässlich des Tages der Astronomie am 16.03.2013 geplanten öffentlichen Beobachtungen: wenn es dann bewölkt ist, wird die Enttäuschung groß sein. Die Amateurastronomen in der Bonner Region, bei denen ich mitwirke, bieten daher mehrere öffentliche Beobachtungen an uneterscheidlichen Terminen sowie einen einführenden Vortrag an. Das Programm dieser "Kometenwoche in Bonn" möchte ich hier vorstellen.

Montag, 11.03.2013: Vortrag "2013 - Das Jahr der Kometen"
Veranstaltungsort: Altes Refraktorium (Sitz der Volkssternwarte Bonn e.V.), Poppelsdorfer Allee 47, 53115 Bonn.
Beginn: 18:30 Uhr; Ende: 19:30 Uhr
Die Teilnahme ist kostenfrei
Auf Grund begrenzter Sitzplatzkapazität wird eine Anmeldung unter bongartz@volkssternwarte-bonn.de erbeten.
Veranstalter: Volkssternwarte Bonn e.V.
Weitere Infos

Mittwoch, 13.03.2013: Öffentliche Beobachtung in Bonn-Endenich
Veranstaltungsort: Wiese vor dem Argelander Institut für Astronomie, Auf dem Hügel 71, 53121 Bonn-Endenich
Die Teilnahme ist kostenfrei
Beginn: 19:00 Uhr; Ende: ca. 20:30 Uhr. Findet nur bei halbwegs klarem Himmel statt!
An diesem Abend steht die Mondsichel in der Nähe des Kometen und mit etwas Glück sogar in seinem Schweif - ein sehr seltenes Ereignis.
Veranstalter: Volkssternwarte Bonn e.V.
Weitere Infos

Freitag, 15.03.2013: Öffentliche Beobachtung in Bonn-Endenich
Veranstaltungsort: Argelander Institut für Astronomie, Auf dem Hügel 71, 53121 Bonn-Endenich
Die Teilnahme ist kostenfrei
Beginn: 19:00 Uhr, Ende offen
Veranstalter: Bonner Sternenhimmel in der Volkssternwarte Bonn e.V.
Weitere Infos

Samstag, 16.03.2013:
Anlässlich des bundesweiten "Tags der Astronomie" (s. www.astronomietag.de/ werden heute drei Veranstaltungen angeboten.

1) Öffentliche Beobachtung in Bonn-Endenich
Veranstaltungsort: Argelander Institut für Astronomie, Auf dem Hügel 71, 53121 Bonn-Endenich
Die Teilnahme ist kostenfrei
Beginn: 16:00 Uhr, Ende offen
Veranstalter: Bonner Sternenhimmel in der Volkssternwarte Bonn e.V.
Weitere Infos

2) Sternstunden über der Heide
Veranstaltungsort: Husarenstraße (am Freibad), 53757 St. Augustin
Teilnahmegebühr: Erwachsene EUR 6,-, Kinder EUR 3,-
Anmeldung erforderlich unter umweltbuero@sankt-augustin.de
Beginn: 19:00 Uhr, Ende offen
Veranstalter: Umweltbüro der Stadt St. Augustin in Kooperation mit dem Köln-Bonner Astrotreff (KBA)
Weitere Infos

3) Öffentliche Beobachtung in Bad Honnef
Veranstaltungsort: Reitersdorfer Park
Die Teilnahme ist kostenfrei
Beginn: 17:00 Uhr, Ende offen
Veranstalter: Sternfreunde Siebengebirge
Weitere Infos

Sonntag, 17.03.2013: Öffentliche Beobachtung in Bad Honnef
Veranstaltungsort: wird kurzfristig auf Sternfreunde Siebengebirge bekannt gegeben
Die Teilnahme ist kostenfrei
Beginn: 17:00 Uhr, Ende offen
Veranstalter: Sternfreunde Siebengebirge
Weitere Infos

Montag, 18.03.2013: Öffentliche Beobachtung in Bonn-Endenich
Veranstaltungsort: Wiese vor dem Argelander Institut für Astronomie, Auf dem Hügel 71, 53121 Bonn-Endenich
Die Teilnahme ist kostenfrei
Beginn: 19:30 Uhr; Ende: ca. 21:00 Uhr. Findet nur bei halbwegs klarem Himmel statt!
Veranstalter: Volkssternwarte Bonn e.V.
Weitere Infos

Informationen zu Komet Panstarrs finden Sie im Internet auch unter www.kometen.info/ und www.komet-panstarrs.de/.