Die Jahre 1947 und 1948 hatten nach langer Zeit des Wartens zwei helle Kometen gebracht, welche allerdings für die modernen Observatorien auf der Nordhalbkugel kaum zugänglich waren. Doch es kam noch schlechter: Von Ende 1948 bis Mitte 1955 war nirgendwo auf der Erde ein einiziger Komet mit bloßem Auge sichtbar. Ausgerechnet in diese ungewöhnlich langen Durststrecke der praktischen Beobachtung fiel die Geburtsstunde der modernen Kometenastronomie. In den Jahren 1949 bis 1951 erschienen grundlegende theoretische Arbeiten, welche nicht nur das Verständnis der Schweifsterne, sondern auch unser Bild vom Sonnensystem revolutionierten. Jan Hendrik Oort postulierte die später nach ihm benannte zirkumsolare Kometenwolke als Reservoire der langperiodischen Kometen, Fred Whipple stellte das Modell des Kometenkerns als "Schmutziger Scheeball" vor und Ludwig Biermann sagte die Existenz eines von der Sonne ausgehenden permanenten Stroms geladener Teilchen voraus, welcher als Sonnenwind bezeichnet wurde. Kenneth Edgeworth sah das Kometenreservoir anders als Oort in einem Gürtel von Kleinkörpern direkt außerhalb der Neptunbahn, ähnliches deutete Gerard Kuiper an. Dass der eindeutige Beweis dieser Theorien mit den damaligen Mitteln kaum möglich sein würde, war kaum zu bezweifeln. Dennoch wurde ein neuer heller Komet, der optimalerweise mit möglichst langer "Vorwarnzeit" auftauchen sollte, sehnlicher denn je erwartet, um zumindest weitere Indizien für oder gegen die neuen Ideen sammeln zu können. Nachdem 1955 mit C/1955 L1 (Mrkos) und C/1955 O1 (Honda) zumindest zwei mit bloßem Auge sichtbare Schweifsterne, wenn auch wiederum überraschend, erschienen waren, ging der Wunsch vieler Kometenforscher im Jahr 1957 endlich in Erfüllung. Binnen weniger Monate standen gleich zwei helle Vertreter am Himmel über der nördlichen Hemisphäre. In beiden Fällen handelte es such um typische "Große Kometen", die vor allem deshalb hell wurden, weil sie recht nah (0.32 bzw. 0.35 AE) an die Sonne heran kamen. Doch in ihrem Erscheinungsbild und im Verlauf ihrer Sichtbarkeit unterschieden sie sich deutlich.
Literaturangaben
- Biermann, Ludwig (1951): Kometenschweife und Korpuskularstrahlung. Zeitschrift für Astrophysik 29, 274-286.
- Edgeworth, Kenneth (1949): The origin and evolution of the Solar System. Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 109, 600-609.
- Kuiper, Gerard P. (1951): On the Origin of the Solar System. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 37 (1), 1-14.
- Oort, Jan Hendrik (1950): The structure of the cloud of comets surrounding the solar system and a hypothesis concerning its origin. Bulletin of the Astronomical Institutes of the Netherlands 11 (408), 91-110.
- Whipple, Fred (1950): A comet model. II. Physical relations for comets and meteors. Astrophysical Journal 113, 464-474.
KOMET AREND-ROLAND (1956 R1)
"Comet Arend-Roland 1956h had received much advanced publicity and was eagerly awaited by the general public as well as by scientist ..." (Brahde & Brekke 1957, 27)
Am 08.11.1956 wurden am Uccle Observatorium in Belgien Fotoplatten belichtet, auf denen bei der etwa eine Woche später erfolgten Auswertung durch Sylvain Arend und Georges Roland ein lichtschwacher Komet gefunden wurde (Abbildung in Roland 1985). Die Entdeckung wurde am 20.11.56 durch weitere Aufnahmen am gleichen Observatorium bestätigt und an die zuständige Zentralstelle der Internationalen Astronomischen Union in Kopenhagen gemeldet. Die Helligkeit des neuen Kometen betrug zu dieser Zeit etwa 12.0 mag. Bereits am 27.11.1956 konnte Max Beyer in Hamburg einen Schweif nachweisen. Die frühzeitige gute Entwicklung des Objekts sowie dessen durch Michael P. Candy berechnete Bahn ließen eine helle Kometenerscheinung im kommenden Frühjahr erwarten. Somit war ausreichend Zeit zur Planung wissenschaftlicher Beobachtungen gegeben.
Komet Arend-Roland entwickelte sich "planmäßig"; am Jahresende 1956 hatte er etwa 10 mag erreicht, 5 Wochen später 9 mag. Die Verlangsamung des Helligkeitsanstiegs lag daran, dass sich die Erde bis Anfang Februar vom Schweifstern entfernte. Ende Februar wurden 7.5 mag gemessen, bevor Arend-Roland sich der Beobachtung zunächst entzog. Am 20.03.1957 kam er zum ersten Mal in Konjunktion zur Sonne, wobei der scheinbare Abstand 14 Bogengrade betrug. Am 02.04.1957 wurde der Schweifstern mit einer Helligkeit von etwa 2 mag in Neuseeland wiedergefunden. Vermutlich war er der erste Komet, welcher in der Antarktis wissenschaftlich beobachtet wurde, denn dort hielten sich anlässlich des internationalen geophysikalischen Jahres mehrere Expeditionen auf. An verschiedenen Orten der Südhalbkugel wurde Arend-Roland vor allem im Zeitraum 08. - 14.04.57 gesehen, bevor er mit einer Helligkeit von etwa -0.5 mag erneut in den Strahlen der Sonne verschwand. Am 16.04.57 fand in nur 5 Grad Abstand die zweite Konjunktion mit unserem Zentralgestirn statt, am 20.04.57 erreichte Arend-Roland mit 0.57 AE seinen geringsten Abstand zur Erde. Am gleichen Tag wurde er in England und Schweden erstmals wieder beobachtet. Der Komet wanderte jetzt steil nach Norden. Konnte er am 21.04.57 nur in der Abend- und Morgendämmerung gesichtet werden, so war er bereits in der Nacht vom 23. auf den 24.04.57 zirkumpolar. Insbesondere in Großbritannien herschten in der letzten Aprildekade ungewöhnlich gute Wetterbedingungen, sodass Arend-Roland durchgehend beobachtet werden konnte; zudem war am 29. April Neumond. Die Helligkeit sank von 1.5 mag am 22. auf 2.7 mag am 30. April. Die größte Schweiflänge wurde mit 30 Grad am 26. verzeichnet. Doch das Ungewöhnliche an diesem Kometen war sein ausgeprägter Gegenschweif, welcher vom 22. bis 29.04.57 sichtbar war, als die Erde nahe der Bahnebene von Arend-Roland stand und sie am 25. April kreuzte. An diesem Tag erreichte der nadelspitze Gegenschweif die erstaunliche Länge von 15 Grad.
Komet Arend-Roland mit Gegenschweif. Bildnachweis: David Darling -
Im Mai entfernte sich Arend-Roland rasch sowohl von der Sonne als auch von der Erde. Die Helligkeit sank im Laufe des Monats von etwa 3 mag auf rund 7 mag, die Schweiflänge reduzierte sich von 7 auf 3 Grad. Zudem störte zur Monatsmitte hin der Mond die Beobachtung immer mehr; lediglich während der Totalen Mondfinsternis am 13.05.57 herrschten noch einmal gute Bedingungen. Der letzte Nachweis mit bloßem Auge datiert vom 24.05.1957. Teleskopisch konnte der Komet noch fast ein Jahr, bis zum 11.04.1958, verfolgt werden, als er einen Sonnenabstand von 5.36 AE erreicht hatte.
Da man endlich den seit Jahrzehnten ersehnten hellen Kometen am Nordhimmel hatte, wurde zu seiner Beobachtung jede verfügbare Technik eingesetzt. Vom belgischen Oostende startete sogar ein Flugzeug, um Beobachtungen des Schweifsterns aus 3500m Höhe durchzuführen (De Thier 1957). Mehrfach wurde versucht, Radiostrahlung von Arend-Roland zu erfassen. Diese Unterfangen schlugen fehl oder brachten keine eindeutigen Ergebnisse; erst 16 Jahre später gelang dies bei Komet Kohoutek (C/1973 E1). Spektralanalysen zeigten ein kontinuierliches Spektrum sowie ungewöhnlich kräftige Emissionslinien des Natriums, wodurch der visuelle Eindruck eines extrem staubreicher Komet belegt wurde. Dazu passt auch die Beobachtung ausgeprägter "Envelopen" in der Koma, ähnlich wie bei den Kometen Donati (1858 L1) und Coggia (1874 H1). Besonderes Interesse fand der extrem ausgeprägte Gegenschweif von Arend-Roland. Als Ursache für diese Struktur wurden sowohl Dust Trails als auch die perspektivische Verzerrung eines normalen, aber weit aufgefächerten Staubschweifs diskutiert. Prinzipiell ist beides möglich, doch scheint es sich bei C/1956 R1 eher um Dust Trails gehandelt zu haben. Wie in den 1950er-Jahren üblich wurde auch bei Arend-Roland (vergeblich) nach einer eindeutigen Korrelation zwischen Sonnenaktivität und Helligkeitsfluktuationen des Kometen gesucht.
Da C/1956 R1 solange beobachtet wurde - Positionsbestimmungen erfolgten an 520 Tagen - konnte seine Bahn außerordentlich präzise bestimmt werden. Es besteht daher kein Zweifel, dass er sich zumindest nach seiner Sonnenpassage auf einer Hyperbel bewegte. Es wurde diskutiert, ob er ein einmaliger Besucher aus dem interstellaren Raum war. Allerdings tendierte Sekanina (1968) zu der Ansicht, dass C/1956 R1 aus der Oortschen Wolke kam und durch starke nicht-gravitative Kräfte während seines Besuchs im inneren Sonnensystem von einer Ellipsenbahn auf eine Hyperbel angehoben wurde. Die enorme Staubproduktion des Kometen ist ein starker Beleg für das Wirken solcher Kräfte.
Als 1995 die moderne Kometen-Nomenklatur eingeführt wurde, erhielten alle früheren Schweifsterne ebenfalls neue Bezeichnungen. Im Fall von Arend-Roland kam es dabei zu einem Irrtum, denn nach dem Entdeckungsdatum müsste er als C/1956 V1 geführt werden. Stattdessen erhielt er das Label C/1956 R1. Als der Irrtum - offenbar erst nach mehreren Jahren - bemerkt wurde, verzichtete man auf eine Korrektur, um weitere Verwirruung zu vermeiden, denn Arend-Roland hatte inzwischen als C/1956 R1 bereits in zahlreiche Publikationen Eingang gefunden.
Unter den zahlreichen "Großen Kometen" des 20. Jahrhunderts war Arend-Roland bei weitem nicht der hellste oder eindrucksvollste. Doch hinsichtlich seiner Popularität in der breiten Öffentlichkeit wurde er nur von Halley, Kohoutek und Hale-Bopp geschlagen. Dazu trug vor allem bei, dass er neben den 3 genannten der einzige helle Komet des 20. Jh. war, der lange vor Erreichen der Freiäugigkeit entdeckt worden war. Hinzu kam, dass er unter optimalen Bedingungen am Abendhimmel sichtbar war. Das sicherte ihm vor allem in Großbritannien - wo dann auch (s.o.) das Wetter mitspielte - große Aufmerksamkeit. Er war das Thema der ersten Ausgabe des legendären BBC-Programms "The Sky at Night", welche am 24.04.1957 ausgestrahlt wurde. In Deutschland widmete ihm u.a. DIE ZEIT einen längeren Artikel, in dem der damalige Stand der Kometenforschung sowie einige aus heutiger Sicht obsolete Hypothesen vorgestellt wurden. Besondere Aufmerksamkeit fand der Schweifstern auch im Entdeckungsland Belgien, wo nicht nur zahllose Zeitungsartikel erschienen, sondern auch eine Briefmarke mit Kometenmotiv erschien (Roland 1985). Neben der legendären Sonnenfinsternis vom 30.06.1954 und dem Start des Sputnik im Herbst 1957 war Komet Arend-Roland für die breite Bevölkerung sicherlich das bedeutendste astronomische Ereignis der 1950er-Jahre. In amateurastronomischen Kreisen ist er vor allem wegen seines ausgeprägten Gegenschweifs, dessen Fotos in zahllosen Astronomiebüchern zu finden sind, bis heute ein Begriff.
Wenig bekannt sein dürfte, dass der Schweizer Schriftsteller Max Frisch dem Kometen ein literarisches Denkmal gesetzt hat. Arend-Roland spielt eine Rolle in seinem 1957 erschienenen Roman "Homo Faber". Während der ersten Begegnung der Titelfigur Walter Faber mit Sabeth, welche Ende April 1957 auf der Überfahrt von New York nach Europa stattfindet, steht er hell am Nordhimmel. Später wird erwähnt, dass der Komet, dessen Name übrigens nicht genannt wird, am 27.05.1957 - dem Tag von Sabeths Unfalltod - nicht mehr zu sehen sei. Arend-Roland muss spät Eingang in das Werk gefunden haben, denn Frisch hatte das Manuskript bereits 1956 weitgehend abgeschlossen und im Februar 1957 beim Verlag eingereicht. Im April zog er es jedoch zurück und lieferte im Juni eine überarbeitete Version ab. In dieser späten Bearbeitungsphase stand Arend-Roland am Himmel und hinterließ offenbar auch bei Max Frisch einen starken Eindruck. Weitaus wichtiger für die Handlung ist aber die oben bereits erwähnte Mondfinsternis vom 13.05.1957, unter deren Eindruck Faber mit Sabeth, die sich als seine Tochter entpuppt, ein Verhältnis beginnt.
Steckbrief des Kometen Arend-Roland
Entdeckung: 08.11.1956
Perihel: 08.04.1957, 0.32 AE
Erdnähe: 20.04.1957, 0.57 AE
Neigung der Bahn zur Erdbahn: 120 Grad
Umlaufszeit um die Sonne: hyperbolisch
Mit bloßem Auge sichtbar: 06.04. - 24.05.1957
Max. Helligkeit: -0.5 mag
Max. Schweiflänge: 30 Grad
Literatur zu Komet Arend-Roland
- Beyer, Max (1959): Physische Beobachtungen von Kometen. XI. Astronomische Nachrichten 284, 241-262.
- Brahde, Rolf & Brekke, Kjell (1957): On the secondary tail of comet Arend-Roland 1956h. Astrophysica Norwegica 6 (3), 27-33.
- De Thier (1957): Observation de la comete Arend-Roland (1956h). Ciel et Terre 73, 228-229.
- Du Mont, Bernhard (2000): Max Frisch und der Komet Arend-Roland. Sterne und Weltraum 10/2000, 822-823.
- Hendrie, Michael J. (1996): The two bright comets of 1957. Journal of the British Astronomical Association 106 (6), 315-330.
- Larsson-Leander, Gunnar (1959): Physical observations of Comet Arend-Roland (1956 h). Arkiv för Astronomi 2 (23), 259-270.
- Nitschmann, Leo (1957): "Arend-Roland" nähert sich. DIE ZEIT 14/1957 vom 04.04.1957, 24-25.
- Öpik, Ernst (1958): The Spectrum and Luminosity of Comet Arend-Roland (1956 h). Irish Astronomical Journal 5, 77-78.
- Porter, J.G. (1957): Comet Arend-Roland, 1956h - A General Report. The Observatory 77, 128-132.
- Roland, Georges (1985): Les cinq comètes <>. Ciel et Terre 101, 123-128.
- Semanina, Z. (1968): A dynamic investigation of Comet Arend-Roland (1957 III). Bulletin of the Astronomical Institute of Czechoslovakia 19, 343-350.
- http://www.cometography.com/1956r1.html: C/1956 R1 (Arend-Roland)
KOMET MRKOS (1957 P1)
"The sudeen appearance of Comet Mrkos as a naked-eye comet near the beginning of August provided another excellent opportunity for comet observers less than four months after the excitement of Comet Arend-Roland." (Halliday 1957, 323)
Die frühe Entdeckung von Arend-Roland war ausgesprochen untypisch gewesen. Die hellen Kometen im 19. Jh. und in der ersten Hälfte des 20. jh. waren zum größten Teil erst wenige Tage oder Wochen vor oder sogar nach ihrer Perihelpassage entdeckt worden, als sie bereits helle, auffällige Objekte darstellten. Oftmals wurden sie von zahlreichen Personen - meistens Laien - gleichzeitig erstmals gesichtet. Solche Schweifsterne wurden denn auch nicht nach einzelnen Entdeckern benannt, sondern erhielten im Nachhinein einen beschreibenden Namen. Zuletzt war dies bei C/1947 X1 ("Großer Südkomet") und C/1948 V1 ("Finsterniskomet") der Fall gewesen. Ende Juli 1957 tauchte erneut ein heller Komet völlig überraschend auf. Anders als bei den vorgenannten Beispielen sind die Namen der Entdecker allerdings bekannt. Zuerst gesichtet wurde der neue Schweifstern am 29.07.57 von S. Kuragano in Japan; der Pilot Peter Cherbak beobachtete ihn sowohl am 31.07. als auch am 01.08.57 über Colorado. Es war das zweite Mal nach C/1948 V1, dass ein Komet aus einem Flugzeug (wieder)entdeckt wurde. Als nächster fand Antonín Mrkos den Schweifstern mit einer Helligkeit von 1.0 mag am Morgen des 02.08.57. Der tschechische Astronom war zu diesem Zeitpunkt bereits ein erfahrener Kometenjäger, neben dem Japaner Minoru Honda sogar der erfolgreichste in der Mitte des 20. Jahrhunderts. Mrkos meldete seine Beobachtung sofort an die Zentralstelle in Kopenhagen - als erster. Dank dieser Professionalität wurde seine Laufbahn mit einem hellen Schweifstern, der seinen Namen trug, gekrönt.
Die Nachricht von dem interessanten Objekt verbreitete sich offenbar nur zögerlich. Noch am 03., 04. und 05.08.57 erfolgten mehrere unabhängige "Entdeckungen" in Kanada und Großbritannien, u.a. durch den erst 16jährigen Clive Hare. Bahnberechnungen zeigten, warum der Komet erst um seine Perihelpassage (01.08.57) sichtbar geworden war. Vorher hatte er von der Erde aus gesehen stets in unmittelbarer Sonnennähe gestanden. Bis in den August hinein löste er sich auch kaum aus der Morgendämmerung und wanderte nur langsam nach Norden. Obwohl er nördlich des 52. Breitengrades nach dem 10.08.57 für einige Tage zirkumpolar wurde, stand er am nachtdunklen Himmel nahe am Horizont. Zudem störte der Mond (Vollmond am 10.08.57) um diese Zeit die Beobachtung, und zu allem Überfluss herrschte zumindest in Großbritannien, teilweise wohl auch in Deutschland, bewölktes Wetter vor. Erst nach der Monatsmitte besserten sich die Bedingungen, als Mrkos in der Abenddämmerung gut mit bloßem Auge zu sehen war. Anfang September störte dann nicht nur erneut der Mond, sondern auch - sicherlich ein absolutes Kuriosum in der Kometengeschichte - in den Nächten 02./03. und 03./04.09.1957 helles Polarlicht die Beobachtung (Beyer 1959). Dass dennoch zahlreiche qualitativ wertvolle Beobachtungen gelangen, war der Tatsache geschuldet, dass die Helligkeit des Schweifsterns nur allmählich abnahm, in jeweils 10 Tagen um etwa 1 mag. Erst um den 20.09.57 unterschritt er die 6. Größenklasse.
- Semanina, Z. (1968): A dynamic investigation of Comet Arend-Roland (1957 III). Bulletin of the Astronomical Institute of Czechoslovakia 19, 343-350.
- http://www.cometography.com/1956r1.html: C/1956 R1 (Arend-Roland)
KOMET MRKOS (1957 P1)
"The sudeen appearance of Comet Mrkos as a naked-eye comet near the beginning of August provided another excellent opportunity for comet observers less than four months after the excitement of Comet Arend-Roland." (Halliday 1957, 323)
Die frühe Entdeckung von Arend-Roland war ausgesprochen untypisch gewesen. Die hellen Kometen im 19. Jh. und in der ersten Hälfte des 20. jh. waren zum größten Teil erst wenige Tage oder Wochen vor oder sogar nach ihrer Perihelpassage entdeckt worden, als sie bereits helle, auffällige Objekte darstellten. Oftmals wurden sie von zahlreichen Personen - meistens Laien - gleichzeitig erstmals gesichtet. Solche Schweifsterne wurden denn auch nicht nach einzelnen Entdeckern benannt, sondern erhielten im Nachhinein einen beschreibenden Namen. Zuletzt war dies bei
Die Nachricht von dem interessanten Objekt verbreitete sich offenbar nur zögerlich. Noch am 03., 04. und 05.08.57 erfolgten mehrere unabhängige "Entdeckungen" in Kanada und Großbritannien, u.a. durch den erst 16jährigen Clive Hare. Bahnberechnungen zeigten, warum der Komet erst um seine Perihelpassage (01.08.57) sichtbar geworden war. Vorher hatte er von der Erde aus gesehen stets in unmittelbarer Sonnennähe gestanden. Bis in den August hinein löste er sich auch kaum aus der Morgendämmerung und wanderte nur langsam nach Norden. Obwohl er nördlich des 52. Breitengrades nach dem 10.08.57 für einige Tage zirkumpolar wurde, stand er am nachtdunklen Himmel nahe am Horizont. Zudem störte der Mond (Vollmond am 10.08.57) um diese Zeit die Beobachtung, und zu allem Überfluss herrschte zumindest in Großbritannien, teilweise wohl auch in Deutschland, bewölktes Wetter vor. Erst nach der Monatsmitte besserten sich die Bedingungen, als Mrkos in der Abenddämmerung gut mit bloßem Auge zu sehen war. Anfang September störte dann nicht nur erneut der Mond, sondern auch - sicherlich ein absolutes Kuriosum in der Kometengeschichte - in den Nächten 02./03. und 03./04.09.1957 helles Polarlicht die Beobachtung (Beyer 1959). Dass dennoch zahlreiche qualitativ wertvolle Beobachtungen gelangen, war der Tatsache geschuldet, dass die Helligkeit des Schweifsterns nur allmählich abnahm, in jeweils 10 Tagen um etwa 1 mag. Erst um den 20.09.57 unterschritt er die 6. Größenklasse.
Bahn des Kometen Mrkos durch das innere Sonnensystem. Eingezeichnet ist seine Position am 13.08.1957, als er seine nördlichste Position über der Erdbahnebene erreichte und am besten beobachtet werden konnte. Danach bewegte er sich wieder nach Süden (links in der Grafik) und näherte sich von der Erde aus gesehen scheinbar immer mehr der Sonne an, obwohl er sich in Wirklichkeit rasch von ihr entfernte.
Komet Mrkos präsentierte sich mit deutlich voneinander getrennten Gas- und Staubschweifen. Erreichte erstgenannter bis zu 15 Grad Länge, so wurden für den visuell viel besser wahrnehmbaren breiten und teils diffusen Staubschweif meist nur 2 bis 4 Grad angegeben. Besonders wissenschaftliches Interesse fand gerade im Hinblick auf Biermanns Sonnenwind-Theorie der reich strukturierte Gasschweif. Die Beobachtungen deuteten auf die Bündelung der Schweifstrahlen durch Magnetfelder hin, was wiederum ein Indiz für einen elektrische geladenen Teilchenstrom von der Sonne darstellte. Die hohe Staubfreisetzung des Kometen sorgte für ein extrem kräftiges kontinuierliches Spektrum. Dank neuer hochauflösender Methoden konnten dennoch Untersuchungen des Linienspektrums durchgeführt werden, wodurch der Nachweis eines etwa 10 Millionen Kilometer langen Natriumschweifs gelang. Bedeutender noch war der Nachweis atomaren Sauerstoffs an Hand der "verbotenen" roten Spektrallinien um 630 nm. Da Sauerstoff mengenäßig Kohlenstoff (in Form des Dicarbons) bei weitem überstieg, kamen als Muttermoleküle nicht Kohlenstoffoxide, sondern nur Wasser in Frage. Zum endgültigen Beweis, dass H2O unter den gefrorenen Gasen des Kometenkerns dominiert, musste der ebenfalls freigesetzte Wasserstoff gefunden werden. Das war jedoch zunächst nicht möglich, da dessen Emissionslinien im UV-Bereich liegen und somit nur außerhalb der Erdatmosphäre aus messbar sind.
Auch der Staubschweif von Komet Mrkos erregte Interesse, denn er entwickelte Striae, welche zuvor überhaupt erst dreimal, bei C/1743 X1 (Klinkenberg), C/1858 L1 (Donati) und C/1910 A1 (Großer Januarkomet), beobachtet worden waren. Nachdem 1976 C/1975 V1 (West) einen mächtigen Staubschweif mit zahlreichen Striae ausgebildet hatte, erschienen in den 1980er-Jahren erneut mehrere Publikationen über Mrkos. Dieser war zu jener Zeit nicht nur Forschern, sondern auch interessierten Laien durchaus noch ein Begriff, wurden Fotos von ihm doch vielfach als Beispiel für deutlich getrennte Gas- und Staubschweife abgedruckt.
Dass der zwar helle, aber im visuellen Erscheinungsbild nicht allzu imposante Mrkos meist in einem Atemzug mit Arend-Roland genannt wird, liegt jedoch nicht nur daran, dass er ebenfalls zum Lehrbuchkomet wurde, sondern auch, dass er nur wenige Monate nach jenem in Erscheinung trat. In der öffentlichen Wahrnehmung des Jahres 1957 blieb Mrkos durch die ungünstigeren Beobachtungsbedingungen und sein plötzliches Auftreten hinter Arend-Roland etwas zurück. Die Forscher-Gemeinde wurde zwar auch von Mrkos überrascht, war aber dank der noch frischen Erfahrungen mit seinem Vorgänger nicht unvorbereitet.
Komet Mrkos mit reich strukturiertem Gasschweif (unten) und kurzem Staubschweif (oben). Bildnachweis: NASA.
Entdeckung: 02.08.1957
Perihel: 01.08.1957, 0.35 AE
Erdnähe: 13.08.1957, 1.07 AE
Neigung der Bahn zur Erdbahn: 94 Grad
Umlaufszeit um die Sonne: unbekannt
Mit bloßem Auge sichtbar: 29.07. - 13.09.1957
Max. Helligkeit: 1.0 mag
Max. Schweiflänge: 15 Grad
Literatur zu Komet Mrkos
- Beyer, Max (1959): Physische Beobachtungen von Kometen. XI. Astronomische Nachrichten 284, 241-262.
- Biermann, Ludwig & Treffitz, Elisabeth (1964): Über die Mechanismen der Ionisation und der Anregung in Kometenatmosphären. Zeitschrift für Astrophysik 59 (1), 1-28.
- Halliday, Ian (1957): Observations of Comet Mrkos in Northern Alberta. Journal of the Royal Astronomical Society of Canada 51, 323-326.
- Hendrie, Michael J. (1996): The two bright comets of 1957. Journal of the British Astronomical Association 106 (6), 315-330.
- Lüst, Rhea (1962): Die Bewegung und Form von Strukturen im Schweif des Kometen Mrkos 1957 d. Zeitschrift für Astrophysik 54, 67-97.
- McClure, Alan & Liller, William (1958): Rayed structure in the tail of Comet Mrkos, 1957 d. Proceedings of the Astronomical Society of the Pacific 70, 404-406.
- Notni, P. & Thänert, W. (1988): The striae in the dust tails of great comets - a comparison to various theories. Astronomische Nachrichten 309, 133-146.
- Novikov, G.G. (1974): Sodium emission in comet Mrkos 1957d. Soviet Astronomi 17 (4), 559.
- Sekanina, Z. & Farrell, J.A. (1982): Two dust populations in particle fragments in the striated tail of Comet Mrkos 1957 V. The Astronomical Journal 87 (12), 1836-1853.