Mittwoch, 26. Juni 2013

Rückblick auf Komet Panstarrs

Komet Panstarrs (C/2011 L4) war bereits 21 Monate vor seinem Periheldurchgang entdeckt worden. Nach der – weitgehend auf die Fachszene beschränkte - anfänglichen Euphorie über eine potentiell helle Kometenerscheinung wurde er jedoch lange Zeit kaum beachtet. Zum einen mahnte die Erfahrung mit Elenin (C/2010 X1), der sich noch vor Erreichen der Sonnennähe sang- und klanglos aufgelöst hatte, zur Vorsicht. Zum anderen galt die Aufmerksamkeit im Winter 2011 dem plötzlich erschienenen hellen Sungrazer Lovejoy (C/2011 W3). Erst nach der Entdeckung von Komet ISON (C/2012 S1) erwachte das Interesse an Panstarrs so richtig. Die Stimmung schwankte Ende 2012 und 2013 zwischen der Erwartung eines Großen Kometen und mahnender Skepsis. Jede Veränderung in der Helligkeitsentwicklung wurde von den „Experten“ intensiv diskutiert. Im Januar und Februar 2013 wurden immer neue Hypothesen zur mutmaßlichen Helligkeit und dem möglichen Erscheinungsbild in der Zeit um die Perihelpassage Mitte März aufgestellt. Letztlich tat Panstarrs dann das, was Schweifsterne gerne tun: er hielt sich an keine der Vorhersagen, sondern überraschte alle mit einer der eigenwilligsten Kometenerscheinungen der Geschichte.

Trotz der langen Vorlaufzeit wurden für C/2011 L4 keine großen wissenschaftlichen Projekte geplant. Die spektakulären Aufnahmen der Raumsonde STEREO Behind waren Zufallsprodukte, die nur deshalb entstanden, weil der Panstarrs das Sichtfeld der Kamera kreuzte. Er gehörte somit ganz den Amateurastronomen, die ihn so intensiv beobachteten wie kaum einen anderen Kometen zuvor. Daraus resultierte eine detaillierte Dokumentation der erstaunlichen Schweifstrukturen, welche Panstarrs einen festen Platz in der Astronomiegeschichte sichern werden.


Abb. 1: Komet Panstarrs im Blickfeld der Raumsonde STEREO Behind. Quelle: NASA/GSFC

Wenn auch bei C/2011 L4 der Staubanteil dominierte, entwickelte er durchaus einen Gasschweif, welcher vor allem in den zwei Wochen nach dem Perihel erkennbar war. Etwas kontrovers diskutiert wurde dagegen ein möglicher Natriumschweif auf einem Foto, welches Pepe Chambó am 15.03.2013 aufgenommen hatte. Martin Mobberley dokumentierte am 21.03.13 eine Struktur, welche sich als Schatten des False Nucleus (= zentrale Kondensation) deuten lässt. Das weitaus meiste Interesse fand jedoch der Staubschweif, welcher im März und April 2013 weit auffächerte. Dies lag daran, dass wir von der Erde aus auf seine breite Seite schauten. Dadurch befanden sich allerdings nur wenige Staubteilchen in der Sichtlinie, woraus wiederum eine geringe Flächenhelligkeit resultierte. Aus diesem Grund konnte sich Panstarrs am Dämmerungshimmel kaum durchsetzen und blieb hinter den Erwartungen zurück, obwohl er im Zeitraum 8. – 18.03.2013 ein Objekt erster Größe war und sich in dieser Hinsicht letztlich doch entsprechend der Ephemeride vom September 2012 verhielt. Erschwerend kam die geringe scheinbare Ausdehnung der Koma hinzu. Als sehr aufschlussreich erwies sich das Flugexperiment vom 16.03.2013, denn es belegte eindrucksvoll, dass ein Standort oberhalb der Troposphäre für visuelle Beobachtungen optimal ist.


Abb. 2: Komet Panstarrs, fotografiert während des Beobachtungsflugs am 16.03.2013 von Peter Oden.

Andererseits erwies sich der Erdboden für qualitativ hochwertige Fotos als überlegen. Erfahrenen Fotografen gelangen Aufnahmen, welche die ausgeprägten Synchronen und Syndynen des Staubschweifs fast ebenso deutlich abbildeten wie die Kamera an Bord von STEREO Behind. Tatsächlich sind diese Strukturen bislang wohl bei keinem Kometen so lehrbuchhaft in Erscheinung getreten wie bei Panstarrs (Beispielfoto mit Analyse). Er zeigte als prominenteste Schweifstruktur über Monate hinweg hinweg eine kräftige Syndyne, welche zeitweilig mit einfachstem Equipment fotografisch nachweisbar war. Besonders eindrucksvoll war sie Ende Mai, als die Erde die Bahnebene des Kometen kreuzte. Nun blickten wir nicht mehr auf die Fläche, sondern auf die Kante des breiten Staubschweifs und entsprechend lagen jetzt sehr viele Staubschichten in der Blicklinie, wobei die Syndyne den wesentlichen Beitrag lieferte. Als perspektivischer Gegenschweif erreichte sie eine Länge von über 10 Grad und trug wesentlich zur maximalen scheinbaren Schweiflänge von 15° bei, die am 27.05.2013, also erst 11 Wochen nach dem Perihel erreicht wurde. Einen echten Gegenschweif in Form eines Dust Trails aus Staubkörnern von 1 mm und mehr Durchmesser wies C/2011 L4 jedoch nicht auf; die Partikelgröße der Syndyne wurde auf lediglich 10 Mikrometer, also 1/100 mm, geschätzt.

Abb. 3: Komet Panstarrs in seinem charakteristischen Erscheinungsbild mit breit aufgefächertem Staubschweif. Links ist die Syndyne sichtbar, rechts kann man schwach den Gasschweif erkennen. Aufgenommen am 24.03.2013 in Russland von S. Krotkiy. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0.

C/2011 L4 wurde nicht der von vielen erhoffte Große Komet, aber auf Grund seines ungewöhnlichen Staubschweifs zählte er gleich wohl zu den interessantesten und beeindruckensten Kometenerscheinungen der vergangenen Jahrzehnte. Zugleich belegten die hochwertigen Bilddokumente und die Diskussionen in den entsprechenden Mailinglisten, dass Amateurastronomen in der heutigen Zeit vielleicht mehr denn je wertvolle Beiträge zur Forschung liefern können.
Steckbrief des Kometen Panstarrs
Entdeckung: 06.06.2011
Perihel: 10.03.2013, 0.30 AE
Erdnähe: 06.03.2013, 1.10 AE
Neigung der Bahn zur Erdbahn: 78 Grad
Umlaufzeit um die Sonne: ca. 110000 Jahre (nach dem Perihel)
Mit bloßem Auge sichtbar: 07.02. - 23.04.2013
Maximale Helligkeit: +1.0 mag (10.03.2013)
Maximale Schweiflänge: 15° (27.05.2013

Mittwoch, 19. Juni 2013

Rückblick auf Komet Lemmon

Rückblick auf Komet Lemmon

Ein Komet etwas heller als 5. Größe, mit bloßem Auge ein verwaschenes Nebelfleckchen und zudem nur auf der Südhalbkugel sichtbar - dies ist nicht unbedingt ein astronomisches Ereignis, welches in Mitteleuropa Interesse hervorbringt. Wer erinnert sich noch an Komet Boattini (C/2007 W1)? Doch bei Komet Lemmon (C/2012 F6) war es anders. Das lag nicht etwaq daran, dass der am 23.03.2012 entdeckte Schweifstern seit Dezember 2012 beständig etwa 5 Größenklassen heller blieb als ursprünglich erwartet. Es war der Zeitraum seines Auftretens, welcher Lemmon eine ungeahnte Aufmerksamkeit und Popularität verschaffte. Nach der Entdeckung von Komet ISON (C/2012 S1) im September 2012 brach – zum ersten Mal seit 1997 – ein regelrechtes „Kometen-Fieber“ sowohl in der astronomischen Szene als auch in einer breiteren Öffentlichkeit aus. Schließlich versprach nicht nur der neue Schweifstern Ende 2013 extrem hell zu werden, sondern auch der bereits im Juni 2011 entdeckte C/2011 L4 (Panstarrs) hatte das Potential zu einem „Großen Kometen“. In diese Situation platzte nun die Nachricht, dass etwa zur gleichen Zeit wie letztgenannter noch ein weiterer Komet mit bloßem Auge sichtbar sein würde.

Nun hatte Lemmon zudem das „Glück“, dass er bereits einige Wochen vor Panstarrs ein extrem dankbares Objekt für Astrofotografen war. Im Januar 2013 wurden via Internet täglich neue, z.T. großartige Fotos des lemonengrünen Kometen veröffentlicht, der seinem Namen alle Ehre machte. Der Ästhetik seines Erscheinungsbildes konnte sich kaum jemand entziehen. Objektiv gesehen war Lemmon allerdings nur ein weiteres Exemplar in der Reihe der zahlreichen Gaskometen, welche seit Beginn unseres Jahrhunderts erschienen sind und von denen mehrere – erinnert sei nur an C/2004 Q2 (Machholz) und C/2007 N3 (Lulin) – auch in Mitteleuropa recht prominent in Erscheinung getreten waren. C/2012 F6 bot denn mit zwei größeren Schweifabrissen (02.03.2013 und 15.05.2013) sowie zeitweise raschen Schweifveränderungen das klassische „Programm“ eines Gaskometen. Dies gilt auch für die Flächenhelligkeit seines Schweifs, der Anfang März zwar auf Fotografien über 10 Grad lang erschien, jedoch visuell nur etwa 1/3 dieser Länge erreichte. Abgesehen von der erwähnten Dynamik innerhalb des Gasschweif bot Lemmon jedoch von Mitte Januar bis Mitte April im Großen und Ganzen ein sehr einheitliches Erscheinungsbild. Erst Ende April zeigte sich dann, dass der Periheldurchgang (24.03.2013) dem Kern doch eine etwas größere Menge Staub entlockt hatte. Zunächst auf den Bildern absoluter Spitzenfotografen, im Mai dann auch auf den Fotos anderer Amateurastronomen präsentierte sich Lemmon nun als „anständiger“ – und immer noch unglaublich ästhetischer – Komet mit Staub- und Gasschweif, während in der Koma unverändert der Gasanteil dominierte.

Apropos Mai: zu dieser Zeit war Komet Lemmon auch auf der Nordhalbkugel (wieder) sichtbar, allerdings ungünstig in der zum Mittsommer hin immer länger werdenden Morgendämmerung positioniert. Das wäre gar nicht so ein Problem gewesen, wenn der Komet sich in seiner Helligkeitsentwicklung an die Vorhersagen gehalten hätte. Bis weit in den Februar hinein deutete alles darauf hin, dass er Ende März 3 mag oder vielleicht sogar 2.5 mag erreichen würde. Doch die Entwicklung stagnierte ab Mitte Februar. Mit 4.5 mag war die Perihel-Helligkeit zwar immer noch 100x größer als bei der Entdeckung erwartet, aber eben auch etwa 5x geringer als es die späteren Prognosen suggeriert hatten. Entsprechend war er, als er in Mitteleuropa einigermaßen hoch über dem Horizont stand, nur noch etwa 7 mag hell. So bekam abgesehen von einigen ambitionierten Kometenfotografen in Mitteleuropa kaum jemand Komet Lemmon zu Gesicht. Doch im Internet war der grüne Komet neben dem staubgelben Panstarrs die astronomische Attraktion im Winter und Frühjahr 2013.

Die ausführliche, live zwischen Januar und Mai 2013 geschriebene Story von Komet Lemmon sowie zahlreiche Links zu Fotos, Videos und Webseiten findet sich unter

Steckbrief des Kometen Lemmon
Entdeckung: 23.03.2012
Perihel: 24.03.2013, 0.73 AE
Erdnähe: 05.02.2013, 0.99 AE
Neigung der Bahn zur Erdbahn: 83 Grad
Umlaufzeit um die Sonne: 10733 Jahre
Mit bloßem Auge sichtbar: 02.02. - 16.03.2013
Maximale Helligkeit: +4.5 mag (16.03.2013)
Maximale Schweiflänge: 14° (01.03.2013)


Abb. 1: Komet Lemmon am 16.02.2013 in seinem typischen Erscheinungsbild. Die grüne Farbe wird durch Dicarbon (C2) verursacht, welches durch die harte UV-Strahlung der Sonne angeregt wird. Bildnachweis: Massimozanardi (Wikipedia). Lizenziert unter CC BY-SA 3.0.

Abb. 2: Ende Februar und Anfang März erregten Fotos von der Südhalbkugel, auf denen die beiden Kometen Lemmon und Panstarrs gemeinsam abgebildet waren, große Aufmerksamkeit. Besonders beeindruckend war der farbliche Kontrast zwischen dem grünen Gaskometen Lemmon und dem gelblichen Staubkometen Panstarrs.
Bildnachweis: Juri Beletsky, Observatorio de Las Campanas, Chile (Foto-Quelle). Lizenziert unter CC BY 3.0.