2013 wird inzwischen überall als das Jahr der Kometen bezeichnet. Dass 2 oder gar 3 helle Schweifsterne binnen 12 Monaten auftreten ist zwar recht selten, kommt aber durchaus hin und wieder vor. Ein bekanntes Beispiel ist z.B. das Jahr 1618, in dem zwischen August und Dezember mit C/1618 Q1, C/1618 V1 und C/1618 W1 gleich drei helle Kometen beobachtet wurden. Im gleichen Jahr begann der 3ojährige Krieg - die Schweifsterne boten sich im Nachhinein natürlich als Sündenböcke an. Auch 1830/31, 1853/54, 1860/61, 1882, 1910 und 1911 traten jeweils binnen 12 Monaten 2 helle Kometen in Erscheinung. Mitte Oktober 1911 waren mit C/1911 O1 (Brooks) und C/1911 S3 (Beljwaski) sogar zwei Schweifsterne gleichzeitig mit bloßem Auge sichtbar. Nach den kometenreichen Jahren 1910 und 1911 begann jedoch eine lange Durststrecke, welche lediglich von dem zwar extrem hellen, aber schwierig zu beobachtenden Kometen Skjellerup-Maristany (C/1927 X1) unterbrochen wurde. C/1941 B2 (DeKock-Paraskevopoulos) erreichte immerhin 2. Größe, war aber nur auf der Südhalbkugel gut zu sehen. Um die Mitte des 20. Jahrhunderts wurde ein neuer heller Schweifstern geradezu sehnsüchtig erwartet, an dem die in den vergangenen Jahrzehnten neu entwickelten Beobachtungsmethoden anwenden konnte. 1947/48 ging dieser Wunsch dann gleich doppelt in Erfüllung. Binnen 11 Monaten erschienen zwei helle Kometen in einer verblüffenden Duplizität der Ereignisse.
C/1947 X1 (GROSSER SÜDKOMET)
Am Abend des 08.12.1947 beobachteten zahlreiche Menschen auf der Südhalbkugel ein grandioses Schauspiel. Wie aus dem Nichts stand plötzlich ein extrem heller Komet mit orange farbener Koma und einem 20 - 30 Grad langen, nach Süden gekrümmten Schweif in der Abenddämmerung. Angesichts der Flut von gleichzeitigen Entdeckungen erhielt der Komet keinen Namen, sondern ging als "Großer Südkomet" in die Annalen ein. Offenbar war er bereits am Abend des 7. Dezember von zwei Schiffen aus gesichtet worden. So eindrucksvoll das erste Auftreten dieses Schweifsterns war, so schnell war das Spektakel auch wieder vorbei; bereits am 13.12.47 war die Helligkeit von anfänglich wohl -2 mag auf 3 mag abgesunken, nach dem 25.12.47 war C/1947 X1 mit bloßem Auge nicht mehr sichtbar. Bis zum 20.01.1948 konnte er noch teleskopisch verfolgt werden, bevor sein Winkelabstand zur Sonne erneut zu gering wurde.
Die Nachricht von der eindrucksvollen Himmelserscheinung erreichte die Observatorien auf der Nordhalbkugel zwar bereits am 09.12.1947, jedoch waren die Meldungen, welche Tageszeitungen und Radioreporten entstammten, in den ersten Tagen so widersprüchlich, dass man sich über die weitere scheinbare Bahn des Kometen nicht im Klaren war. Für die Planung etwaiger Beobachtungen an den großen Sternwarten der Nordhemisphäre benötigte man aber zumindest eine halbwegs genaue Ephemeride. Wie sich dann herausstellte, wanderte der Komet tatsächlich nach Norden; ab dem 14.12.1947 wurde er im Süden der USA (McDonald Observatory, Texas) beobachtet, bei bereits stark gesunkener Helligkeit. Der so lange erhoffte helle Komet war gekommen und bereitete den Astronomen in Folge seines plötzlichen Auftauchens und seiner zunächst südlichen Position doch nicht viel Freude. Immerhin gelang es erstmals, das Infrarot-Spektrum eines Schweifsterns aufzunehmen. Zudem wurde, beginnend mit dem 10.12.1947, eine Zweiteilung des Kerns beobachtet. Die dabei freigesetzten Staubmengen waren sehr wahrscheinlich auch für die anfänglich große Helligkeit des Objekts verantwortlich.
Die Bahnberechnungen zeigten, dass C/1947 X1 sein Perihel bereits am 02.12.1947 in einem Sonnenabstand von 0.11 AE passiert hatte. Vermutlich war er zu dieser Zeit -4 mag hell gewesen, hatte sich aber wie auch in den Wochen davor durch einen geringen Winkelabstand zur Sonne der Beobachtung entzogen. Anfang Oktober 1947 hatte er noch 90° Abstand von der Sonne gehabt und hätte - bei einer vermuteten Helligkeit von etwa 10 mag - von der Nordhalbkugel aus entdeckt
werden können. Dass er dennoch nicht gefunden wurde, liegt mit ziemlicher Sicherheit an der damals im Vergleich zu heute lückenhaften Himmelsüberwachung.
Bahn des Großen Südkometen durch das innere Sonnensystem. Eingezeichnet ist seine Position am 08.12.1947, als er von zahlreichen Beobachtern nahezu gleichzeitig entdeckt wurde. Aufgrund seiner Bahnlage konnte er von der Erde erst einige Tage nach seinem Perihel gesehen werden, als er weit genug östlich (links) von der Sonne stand und in der Abenddämmerung erschien.
Die Helligkeit von C/1947 X1 am Tag seiner Entdeckung ist schwer einzuschätzen; in der Literatur wird sie mit -2 mag angegeben. Seargent (2009, S. 237) berichtet jedoch von einer Beobachtung am 08.12.1947 aus Victoria. Der Komet wurde noch vor Sonnenuntergang am Taghimmel entdeckt und von dem ehemaligen Astronomielehrer Harold S. Pallot als deutlich heller eingeschätzt als die Venus. Dies spricht für eine Helligkeit von mindestens -5mag und wäre vergleichbar mit Komet McNaught am 13.01.2007.
Steckbrief des Großen Südkometen
Entdeckung: 07.12.1947
Perihel: 02.12.1947, 0.11 AE
Erdnähe: 07.12.1947, 0.85 AE
Neigung der Bahn zur Erdbahn: 138°
Umlaufszeit um die Sonne: unbekannt
Mit bloßem Auge sichtbar: 07.12. - 25.12.1947
Max. Helligkeit: - 5 mag?
Max. Schweiflänge: 25 Grad
Literatur und Webseiten zum Großen Südkometen
- Cunningham, Leland E. (1948): The bright Southern Comet, 1947n. Proceedings of the Astronomical Society of the Pacific 60, 27-36.
- Merton, G. (1948): Comets. Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 108, 124-130.
- Seargent, David (2009): The Greatest Comets in History. 260 S., Springer Science & Business Media, New York.
- Van Biesbroeck, G. (1948): Comet Notes. Popular Astronomy 56, 164-165. (Enthält Fotos des Kometen)
- The Great Comet of 1947
C/1948 V1 (FINSTERNISKOMET)
Am 01.11.1948 fand eine Totale Sonnenfinsternis statt, deren Zentralzone sich über Kenia erstreckte. Dieses Land war daher Ziel wissenschaftlicher Expeditionen. Während heutige Touristen zu solchen Himmelsereignissen reisen, um ein grandioses Naturschauspiel zu genießen, hatten die Wissenschaftler der 1940er Jahre vor allem ihre Instrumente im Blick. Doch denjenigen, die an jenem 1. November zumindest für einige Sekunden Zeit fanden, die "Schwarze Sonne" zu betrachten, bot sich ein Anblick wie aus einem Fantasy-Film. Unmittelbar neben der verfinsterten Sonne stand ein sehr heller Komet mit einem langen Schweif. Niemand hatte von seiner Existenz gewusst und bereits wenige Sekunden nach Ende der Totalität enzog sich die unwirkliche Erscheinung am wieder taghellen Himmel den Blicken. Das denkwürdige Ereignis wurde durch Fotos, welche aus einem Flugzeug der Royal Airforce aufgenommen waren, dokumentiert. Die Helligkeit des Kometen wurde auf -2.5 mag geschätzt. Da sich ein einzelner Entdecker unter den zahlreichen Expeditionsteilnehmern schwerlich ermitteln ließ, erhielt der Schweifstern die Bezeichnung "Finsterniskomet". Es war übrigens der letzte Komet, welcher nicht nach einem oder mehreren Personen bzw. automatischen Programmen benannt wurde.
Am 07.11.1948 hatten viele Menschen auf der Südhalbkugel ein Deja Vu-Erlebnis. Genau 11 Monate nach dem Großen Südkometen erschien erneut wie aus dem Nichts ein heller Komet mit Orange gefärbter Koma und einem 20 Grad langen Schweif in der Dämmerung, diesmal allerdings am Morgenhimmel. Da sich die Nachricht von den Beobachtungen in Kenia noch nicht verbreitet hatte, war das Auftauchen des neuen Schweifsterns völlig überraschend. Dennoch bestand schon bald kein Zweifel mehr, dass es sich um das gleiche Objekt handelte, welches eine Woche zuvor während der Sonnenfinsternis gesehen worden war. Wie bei C/1947 X1 ließ auch bei C/1948 V1 die Helligkeit rasch nach, von etwa 1 mag am 07.11.48 auf 3.5 mag am 17.11.48. Mitte November wurde mit 30 Grad die maximale Schweiflänge festgestellt. Danach verlangsamte sich die Helligkeitsabnahme, sodass der Schweifstern bis zum 20.12.1948 mit bloßem Auge beobachtet werden konnte. Bis Anfang April 1949 wurde er noch teleskopisch verfolgt.
Die Nachricht von den zahlreichen Sichtungen eines neuen Kometen erreichte die Nordhalbkugel - diesmal inklusive präziser Positionsdaten - bereits am 08.11.1948. Etwa zur gleichen Zeit trafen aber auch erst die Berichte von den Beobachtungen während der Sonnenfinsternis ein. Der Finsterniskomet konnte Mitte November 1948 relativ weit im Norden beobachtet werden. F. Lancaster Hiett sah ihn am 11. und 15.11.48 in West Virginia. Am 14.11.1948 konnte am bereits oben erwähnten McDonald Observatory in Texas ein Spektrum des Kometen gewonnen werden, diesmal allerdings im Bereich des sichtbaren Lichts. Danach wanderte C/1948 V1 zunächst weiter nach Süden, bevor er sich nach Norden wendete. Erst zum Jahreswechsel kam er daher in Reichweite mitteleuropäischer Beobachter. Da auch dieser Komet überraschend erschienen war und erst in die Reichweite der großen modernen Observatorien auf der Nordhalbkugel gelangte, als er bereits recht lichtschwach war, blieb die wissenschaftliche Ausbeute erneut recht bescheiden.
Die Bahnberechnungen zeigten, dass C/1948 V1 sein Perihel bereits am 27.10.1948 in 0.14 AE von der Sonne passiert hatte. Vermutlich war er zu dieser Zeit noch heller als während der Sonnenfinsternis gewesen, hatte sich aber wie auch in den Wochen davor durch einen geringen Winkelabstand zur Sonne der Beobachtung entzogen. Die Parallelen zu C/1947 X1 sind erneut verblüffend. Die Bahnlage von C/1948 V1 war aber noch ungünstiger, sodass auch in den Monaten davor keine Möglichkeit bestanden hatte, ihn zu entdecken. Abgesehen vom glücklichen Zufall der Totalen Sonnenfinsternis bot der 07.11.1948 wohl die erste Chance ihn zu sichten. Jedoch stellte sich heraus, dass ihn der Pilot Frank McGann bereits am 04.11.48 in etwa 5000m Höhe über der Karibik beobachtet hatte, wobei er zweifelsohne von der viel besseren atmosphärischen Transparenz in Flughöhe profitiert hatte.
Bahn des Finsterniskometen durch das innere Sonnensystem. Eingezeichnet ist seine Position am 07.11.1948, als er von zahlreichen Beobachtern nahezu gleichzeitig "entdeckt" wurde. Aufgrund seiner Bahnlage konnte er - abgesehen von der Totalen Sonnenfinsternis - von der Erde erst über eine Woche nach seinem Perihel gesehen werden, als er weit genug westlich (rechts) der Sonne stand und in der Abenddämmerung erschien.
Möglicherweise waren jedoch nicht einmal die Sonnenfinsternis-Beobachter in Kenia die wirklichen Entdecker von C/1948 V1. Wiederum ist es Seargent (2009, S. 237), welcher - in diesem Fall allerdings aus zweiter Hand - von einer Taghimmel-Beobachtung des Kometen in Australien Ende Oktober 1948 (vermutlich am 31.10.1948) berichtet. Details dazu lassen sich laut Seargent nicht mehr ermitteln. Sofern die Beobachtung jedoch authentisch ist, müsste der Finsterniskomet genau wie der Große Südkomet eine Helligkeit von mindestens -5 mag erreicht haben.
Steckbrief des Finsterniskometen
Entdeckung: 01.11.1948 (?)
Perihel: 27.10.1948, 0.14 AE
Erdnähe: 25.11.1948, 0.56 AE
Neigung der Bahn zur Erdbahn: 23 Grad
Umlaufszeit um die Sonne: unbekannt
Mit bloßem Auge sichtbar: 01.11. (?) - 20.12.1948
Max. Helligkeit: -5 mag (?)
Max. Schweiflänge: 30 Grad
Literatur und Webseiten zum Finsterniskometen
- Beyer, Max (1950): Physische Beobachtungen von Kometen. VII. Astronomische Nachrichten 278, 217-249.
- Hiett, Lancaster F.; Saladyga, Michael & Williams, Thomas, R. (2008): Unpublished Observations of the Eclipse Comet, C/1948 V1. International Comet Quaterly 30, 140-141.
- Hirst, W.P. (1948): The Orbit of comet 1948 L. Monthly Notes of the Astronomical Society of South Africa 7, 98-100.
- Seargent, David (2009): The Greatest Comets in History. 260 S., Springer Science & Business Media, New York.
- Solc, M. (1999): A note on eclipse comets. Contrib. Astron. Obs. Skalnaté Pleso 28. 296-299.
- Sketching at the telescope: Charles F. Capen’s Eclipse Comet
- The Gallery of Natural Phenomena
- Cometa y eclipse
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