EINLEITUNG
Wenn man nach vergangenen Kometenerscheinungen sucht, welche Komet Ison mutmaßlich ähnelten und daher Hinweise auf dessen weitere Entwicklung geben könnten, werden die Kreutz-Kometen, vor allem aber Komet Kirch (C/1680 V1) genannt. Letzterer bewegte sich auf einer Bahn, die derjenigen Isons sehr ähnelte. Bekanntlich war Kirch einer der eindrucksvollsten Kometenerscheinungen der letzten 1000 Jahre. Der "Vollmond-Mythos", welcher sich inzwischen um Ison entwickelt hat, geht vor allem auf die Vergleiche mit dem Ausnahmeobjekt C/1680 V1 zurück. Doch sonnennahe Kometen können sich auch anders entwickeln. Man muss gerade einmal ein halbes Jahrhundert zurückgehen, um einen Schweifstern zu finden, der ein alternatives Szenario für Ison bietet.
SUNGRAZER UND SUNSKIRTER
Der Begriff Sungrazer („Sonnenstreifer“) wurde ursprünglich als Umschreibung der Kometen der Kreutz-Gruppe benutzt, welche sich der Sonnenoberfläche im Perihel bis auf wenige hunderttausend Kilometer nähern und dabei tief in deren Korona eintauchen. Heute bezeichnet man alle Kometen, deren Periheldistanz höchstens 0.01 AE beträgt, als Sungrazer. Nach dieser Definition hat es in der Geschichte abgesehen von den Kreutz-Kometen mit C/1680 V1 (Kirch) lediglich einen weiteren hellen Vertreter gegeben. Für Schweifsterne, deren Periheldistanz – wie bei C/2012 S1 (Ison) - über 0.01 AE, aber – je nach Quelle – unter 0.07 bzw. 0.10 AE liegt, hat sich in den letzten Jahren mehr und mehr der Begriff Sunskirter (auf deutsch etwa "Sonnenvermeider") eingebürgert.
KOMET SEKI-LINES (C/1962 C1)
Am 04.02.1962 entdeckten Tsutomu Seki in Japan und Richard D. Lines in den USA binnen weniger Stunden unabhängig voneinander einen 9 mag hellen Kometen im Sternbild Achterschiff. Bahnberechnungen zeigten, dass er sein Perihel am 01.04.1962 in nur 0,03 AE Sonnenentfernung passieren würde. Zur damaligen Zeit waren außer den Kreutz-Kometen nur zwei Schweifsterne (C/1680 V1 und C/1865 B1) bekannt, welche der Sonne noch näher gekommen waren. Entsprechend groß war das Interesse an C/1962 C1 in astronomischen Kreisen. Mitte März war Seki-Lines mit bloßem Auge sichtbar, am 27.03.62 hatte er etwa 0 mag erreicht, am 30.03.62 wurde er auf mindestens -1.5 mag geschätzt. Den Berechnungen zu Folge sollte er während der Perihelpassage am 01.04.1962 etwa -7 mag erreichen. Doch niemandem gelang es, ihn neben der Sonne am Taghimmel zu beobachten. Später wurde dies damit erklärt, dass die Staubproduktion während der Perihelpassage für einige Stunden zum Erliegen gekommen war. Eine Erklärung dafür war, dass Staubpartikel in Sonnennähe sofort nach der Freisetzung verdampfen. Blieb nur die Frage, warum dies z.B. bei dem Sungrazer Ikeya-Seki (C/1965 S1) nicht passierte. Spektralanalysen zeigten jedenfalls, dass C/1962 C1 nach dem Perihel nahezu staubfrei war. Als Seki-Lines am 03.04.1962 in der Abenddämmerung wiedergefunden wurde, war er -2.5 mag hell. In den folgenden Tagen entwickelte er einen leuchtstarken, leicht gekrümmten und bis zu 15 Grad langen Staubschweif, welcher gespalten erschien. Wahrscheinlich handelte es sich um zwei Schweife, wobei der erste sich vor und der zweite nach der oben erwähnten Unterbrechung der Staubproduktion gebildet hatte. Dem widerspricht eine allerdings unsichere Beobachtung vom 27.03.1962 (Venter 1963), welche auf eine Schweifspaltung bereits vor dem Peihel hindeutet.
Beginnend mit dem 04.04.62 wurde an verschiedenen Tagen ein Gegenschweif beobachtet und auch fotografiert. Die Helligkeit von Seki-Lines nahm nach der ersten Aprilwoche rasch ab, von 1 mag am 07.04.1962 über 3 mag am 13. auf 4 mag am 21. April. Eine Woche später endete seine Sichtbarkeit für das bloße Auge. Teleskopisch wurde er noch bis Ende Januar 1963 beobachtet.
Bahn des Kometen Seki-Lines durch das innere Sonnensystem. Eingezeichnet ist seine Position am 27.02.1962, als er seine größte Erdnähe erreichte. Zu dieser Zeit und in folgenden Wochen bis zur Perihelpassage konnte er nur auf der Südhalbkugel und in niedrigen nördlichen Breiten beobachtet werden.
Steckbrief des Kometen Seki-Lines
Entdeckung: 04.02.1962
Perihel: 02.04.1962, 0.03 AE
Erdnähe: 27.02.1962, 0.62 AE
Neigung der Bahn zur Erdbahn: 65 Grad
Umlaufszeit um die Sonne: unbekannt
Mit bloßem Auge sichtbar: 13.03. - 30.04.1962
Max. Helligkeit: -2.5 mag
Max. Schweiflänge: 15 Grad
VERGLEICH MIT KOMET ISON
Die Periheldistanz von C/1962 C1 war größer als diejenige Isons. Im Unterschied zu anderen Sunskirtern wie C/1847 C1 (Hind), C/1865 B1 (Abbott) und C/1961 O1 (Wilson-Hubbard) wurde er vor und nach der Sonnenpassage beobachtet. Wie Komet Ison besaß er offenbar einen nicht allzu kleinen Kern und war ein Erstbesucher aus der Oortschen Wolke. Obwohl die Entwicklung von C/1962 C1 wie jetzt bei C/2012 S1 auf eine enorme Helligkeit während der Perihelpassage hindeutete, gelang es selbst mit Teleskopen nicht, ihn neben der Sonne am Taghimmel aufzuspüren (Venter 1963). Dass zudem die Schweiflänge nach dem Perihel überraschend gering blieb, deutet auf einen drastischen Einbruch der Staubproduktion in Sonnennähe hin. Wenn C/2012 S1 sich wie Seki-Lines verhält, würde er ganz sicher kein „Jahrhundert-Komet“, aber zumindest für einige Zeit Anfang Dezember 2013 eindrucksvoll am Morgenhimmel in Erscheinung treten. Bleibt die Frage, wie wahrscheinlich ein solches Szenario ist. Neben Seki-Lines sind die Kreutz-Kometen C/1843 D1 (Tageslichtkomet), C/1882 R1 (Großer Septemberkomet), C/1965 S1 (Ikeya-Seki) und C/2011 W3 (Lovejoy) sowie Komet Kirch (C/1680 V1) die einzigen Sungrazer bzw. Sunskirter, welche sowohl vor als auch nach dem Perihel beobachtet werden konnten. Sie alle erfuhren gerade bei der Perihelpassage eine gewaltige Steigerung der Staubproduktion, wobei zumindest bei C/1882 R1 und C/1965 S1 Kernteilungen eine Rolle spielten.
Als weiteres Vergleichsobjekt sein noch C/1882 F1 (Wells) genannt, welcher sein Perihel in 0.06 AE Sonnendistanz durchlief. John Bortle schreibt zu diesem Schweifstern: "Crossed Perseus in the first week of June, brightening from third to zeroth magnitude, tail more than 5 degrees long. Entered morning twilight about June 7. On June 10, visible telescopically in the daytime as a brilliant, star-like object immediately adjacent to the sun and perhaps as bright as magnitude -6. Temporarily became a southern-hemisphere object following perihelion. On June 17, a long tail was reported extending out of the evening twilight, its tip being 40-45 degrees from the position of the comet's head."
Es sieht also so aus, als wäre Seki-Lines hinsichtlich seines Verhaltens in Sonnennähe ein Unikat gewesen. Daher mag man es für unwahrscheinlich halten, dass auch bei Ison eine Drosselung der Staubproduktion eintritt. Allerdings hat es in der Kometengeschichte schon manche scheinbar einmaligen Phänomene gegeben, die sich dann doch wiederholten. Erinnert sei nur an den unglaublichen Schweif des Kometen Klinkenberg (/1743 X1). Nie hatte man vergleichbares gesehen - bis 2007 Komet McNaught (C/2006 P1) kam. Denjenigen, die auf einen "Jahrhundert-Kometen" zum Jahresende 2013 hoffen, sei aber zur Beruhigung gesagt: auch Komet Kirch gilt bislang als ein Unikat ...
Wenn man nach vergangenen Kometenerscheinungen sucht, welche Komet Ison mutmaßlich ähnelten und daher Hinweise auf dessen weitere Entwicklung geben könnten, werden die Kreutz-Kometen, vor allem aber Komet Kirch (C/1680 V1) genannt. Letzterer bewegte sich auf einer Bahn, die derjenigen Isons sehr ähnelte. Bekanntlich war Kirch einer der eindrucksvollsten Kometenerscheinungen der letzten 1000 Jahre. Der "Vollmond-Mythos", welcher sich inzwischen um Ison entwickelt hat, geht vor allem auf die Vergleiche mit dem Ausnahmeobjekt C/1680 V1 zurück. Doch sonnennahe Kometen können sich auch anders entwickeln. Man muss gerade einmal ein halbes Jahrhundert zurückgehen, um einen Schweifstern zu finden, der ein alternatives Szenario für Ison bietet.
SUNGRAZER UND SUNSKIRTER
Der Begriff Sungrazer („Sonnenstreifer“) wurde ursprünglich als Umschreibung der Kometen der Kreutz-Gruppe benutzt, welche sich der Sonnenoberfläche im Perihel bis auf wenige hunderttausend Kilometer nähern und dabei tief in deren Korona eintauchen. Heute bezeichnet man alle Kometen, deren Periheldistanz höchstens 0.01 AE beträgt, als Sungrazer. Nach dieser Definition hat es in der Geschichte abgesehen von den Kreutz-Kometen mit C/1680 V1 (Kirch) lediglich einen weiteren hellen Vertreter gegeben. Für Schweifsterne, deren Periheldistanz – wie bei C/2012 S1 (Ison) - über 0.01 AE, aber – je nach Quelle – unter 0.07 bzw. 0.10 AE liegt, hat sich in den letzten Jahren mehr und mehr der Begriff Sunskirter (auf deutsch etwa "Sonnenvermeider") eingebürgert.
KOMET SEKI-LINES (C/1962 C1)
Am 04.02.1962 entdeckten Tsutomu Seki in Japan und Richard D. Lines in den USA binnen weniger Stunden unabhängig voneinander einen 9 mag hellen Kometen im Sternbild Achterschiff. Bahnberechnungen zeigten, dass er sein Perihel am 01.04.1962 in nur 0,03 AE Sonnenentfernung passieren würde. Zur damaligen Zeit waren außer den Kreutz-Kometen nur zwei Schweifsterne (C/1680 V1 und C/1865 B1) bekannt, welche der Sonne noch näher gekommen waren. Entsprechend groß war das Interesse an C/1962 C1 in astronomischen Kreisen. Mitte März war Seki-Lines mit bloßem Auge sichtbar, am 27.03.62 hatte er etwa 0 mag erreicht, am 30.03.62 wurde er auf mindestens -1.5 mag geschätzt. Den Berechnungen zu Folge sollte er während der Perihelpassage am 01.04.1962 etwa -7 mag erreichen. Doch niemandem gelang es, ihn neben der Sonne am Taghimmel zu beobachten. Später wurde dies damit erklärt, dass die Staubproduktion während der Perihelpassage für einige Stunden zum Erliegen gekommen war. Eine Erklärung dafür war, dass Staubpartikel in Sonnennähe sofort nach der Freisetzung verdampfen. Blieb nur die Frage, warum dies z.B. bei dem Sungrazer Ikeya-Seki (C/1965 S1) nicht passierte. Spektralanalysen zeigten jedenfalls, dass C/1962 C1 nach dem Perihel nahezu staubfrei war. Als Seki-Lines am 03.04.1962 in der Abenddämmerung wiedergefunden wurde, war er -2.5 mag hell. In den folgenden Tagen entwickelte er einen leuchtstarken, leicht gekrümmten und bis zu 15 Grad langen Staubschweif, welcher gespalten erschien. Wahrscheinlich handelte es sich um zwei Schweife, wobei der erste sich vor und der zweite nach der oben erwähnten Unterbrechung der Staubproduktion gebildet hatte. Dem widerspricht eine allerdings unsichere Beobachtung vom 27.03.1962 (Venter 1963), welche auf eine Schweifspaltung bereits vor dem Peihel hindeutet.
Beginnend mit dem 04.04.62 wurde an verschiedenen Tagen ein Gegenschweif beobachtet und auch fotografiert. Die Helligkeit von Seki-Lines nahm nach der ersten Aprilwoche rasch ab, von 1 mag am 07.04.1962 über 3 mag am 13. auf 4 mag am 21. April. Eine Woche später endete seine Sichtbarkeit für das bloße Auge. Teleskopisch wurde er noch bis Ende Januar 1963 beobachtet.
Bahn des Kometen Seki-Lines durch das innere Sonnensystem. Eingezeichnet ist seine Position am 27.02.1962, als er seine größte Erdnähe erreichte. Zu dieser Zeit und in folgenden Wochen bis zur Perihelpassage konnte er nur auf der Südhalbkugel und in niedrigen nördlichen Breiten beobachtet werden.
Steckbrief des Kometen Seki-Lines
Entdeckung: 04.02.1962
Perihel: 02.04.1962, 0.03 AE
Erdnähe: 27.02.1962, 0.62 AE
Neigung der Bahn zur Erdbahn: 65 Grad
Umlaufszeit um die Sonne: unbekannt
Mit bloßem Auge sichtbar: 13.03. - 30.04.1962
Max. Helligkeit: -2.5 mag
Max. Schweiflänge: 15 Grad
VERGLEICH MIT KOMET ISON
Die Periheldistanz von C/1962 C1 war größer als diejenige Isons. Im Unterschied zu anderen Sunskirtern wie C/1847 C1 (Hind), C/1865 B1 (Abbott) und C/1961 O1 (Wilson-Hubbard) wurde er vor und nach der Sonnenpassage beobachtet. Wie Komet Ison besaß er offenbar einen nicht allzu kleinen Kern und war ein Erstbesucher aus der Oortschen Wolke. Obwohl die Entwicklung von C/1962 C1 wie jetzt bei C/2012 S1 auf eine enorme Helligkeit während der Perihelpassage hindeutete, gelang es selbst mit Teleskopen nicht, ihn neben der Sonne am Taghimmel aufzuspüren (Venter 1963). Dass zudem die Schweiflänge nach dem Perihel überraschend gering blieb, deutet auf einen drastischen Einbruch der Staubproduktion in Sonnennähe hin. Wenn C/2012 S1 sich wie Seki-Lines verhält, würde er ganz sicher kein „Jahrhundert-Komet“, aber zumindest für einige Zeit Anfang Dezember 2013 eindrucksvoll am Morgenhimmel in Erscheinung treten. Bleibt die Frage, wie wahrscheinlich ein solches Szenario ist. Neben Seki-Lines sind die Kreutz-Kometen C/1843 D1 (Tageslichtkomet), C/1882 R1 (Großer Septemberkomet), C/1965 S1 (Ikeya-Seki) und C/2011 W3 (Lovejoy) sowie Komet Kirch (C/1680 V1) die einzigen Sungrazer bzw. Sunskirter, welche sowohl vor als auch nach dem Perihel beobachtet werden konnten. Sie alle erfuhren gerade bei der Perihelpassage eine gewaltige Steigerung der Staubproduktion, wobei zumindest bei C/1882 R1 und C/1965 S1 Kernteilungen eine Rolle spielten.
Als weiteres Vergleichsobjekt sein noch C/1882 F1 (Wells) genannt, welcher sein Perihel in 0.06 AE Sonnendistanz durchlief. John Bortle schreibt zu diesem Schweifstern: "Crossed Perseus in the first week of June, brightening from third to zeroth magnitude, tail more than 5 degrees long. Entered morning twilight about June 7. On June 10, visible telescopically in the daytime as a brilliant, star-like object immediately adjacent to the sun and perhaps as bright as magnitude -6. Temporarily became a southern-hemisphere object following perihelion. On June 17, a long tail was reported extending out of the evening twilight, its tip being 40-45 degrees from the position of the comet's head."
Es sieht also so aus, als wäre Seki-Lines hinsichtlich seines Verhaltens in Sonnennähe ein Unikat gewesen. Daher mag man es für unwahrscheinlich halten, dass auch bei Ison eine Drosselung der Staubproduktion eintritt. Allerdings hat es in der Kometengeschichte schon manche scheinbar einmaligen Phänomene gegeben, die sich dann doch wiederholten. Erinnert sei nur an den unglaublichen Schweif des Kometen Klinkenberg (/1743 X1). Nie hatte man vergleichbares gesehen - bis 2007 Komet McNaught (C/2006 P1) kam. Denjenigen, die auf einen "Jahrhundert-Kometen" zum Jahresende 2013 hoffen, sei aber zur Beruhigung gesagt: auch Komet Kirch gilt bislang als ein Unikat ...
LINKS UND WEBSEITEN
- Beyer, Max (1963): Physische Beobachtungen von Kometen. XIII. Astronomische Nachrichten 287, 153-167.
- Jambor, Bruno J. (1973): The split tail of Comet Seki-Lines. The Astrophysical Journal 185, 727-734.
- Meyer, Maik (2012): Große Kometen der letzten 50 Jahre. VdS Journal für Astronomie 42, 6-15.
- Roberts, Gregory (1962): Observations of Comet Seki-Lines 1962c. Monthly Notes of the Astron. Soc. Southern Africa 21, 54-55.
- Venter, S.C. (1962): Observations of Comet Seki-Lines 1962c. Monthly Notes of the Astron. Soc. Southern Africa 21, 89-92.
- Warner, Brian (1963): High Resolution Spectra of Comet Seki-Lines (1962c). The Observatory 83, 223-225.
- The Bright-Comet chronicles
- The Discovery story of Comet Seki-Lines
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen